■ Schwächt der Mannesmann-Verkauf den Arbeitnehmereinfluss?: Macht und Moral
Mit ihrer kleinen Demonstration in der nordrhein-westfälischen Stadt Ratingen haben einige hundert Beschäftigte von Mannesmann gestern schüchtern die Machtfrage gestellt. Wird das britische Unternehmen Vodafone die rheinische Traditionsfirma Mannesmann einkaufen, und verlieren die hiesigen Beschäftigten damit ihren Einfluss auf die Entscheidungen in der Vorstandsetage? Oder können die von der Gewerkschaft benannten Aufsichtsräte weiterhin über die Firmenpolitik mitbestimmen? Gegen die feindliche Übernahme gäbe es für die Beschäftigten wohl nur ein wirksames Mittel: massive Gegenwehr des Personals, die die Vodafone-Chefs abschreckt. Das wird vermutlich nicht passieren. Denn radikaler Widerstand gehört längst nicht mehr ins Repertoire der hiesigen Gewerkschaften.
Bei Mannesmann geht es um die Macht der Beschäftigten. Und die hängt von der Entfernung ab. Wer weiter weg ist vom Geschehen, kann seinen Einfluss weniger stark geltend machen. Das ist der Kern der Befürchtungen, die die Beschäftigten von Mannesmann umtreiben. Bei den Aufsichtsratstreffen in der englischen Grafschaft Berkshire werden die Vertreter des deutschen Personals nicht mehr vertreten sein. Sie können die Vorstände nicht bedrängen, nicht beeinflussen, nicht persönlich befragen.
Das wissen auch die Vodafone-Vorstände, die ohnehin nur an der Mannesmann-Sparte für Mobilfunk interessiert sind und später die größten Teile des Unternehmens verkaufen wollen. Diese erste feindliche Übernahme einer großen einheimischen AG verdeutlicht, dass Deutschland auf dem globalen Markt angekommen ist. Und dort stehen die Beschäftigten schlechter da als vorher, denn ihre Organisationsmöglichkeiten entwickeln sich viel langsamer als die des Kapitals.
Die Machtfrage bildet also den Kern der gegenwärtigen Aufregung. Die Boulevardpresse wirft den Mannesmann-Aktionären, sollten sie ihre Anteile an Vodafone verkaufen, Geldgier vor. Und im Hintergrund klingt leise die nationale Melodie. Freilich richtet sich die moralische Empörung an die falschen Adressaten. Denn mehr als die Hälfte von Mannesmann gehört schon heute ausländischen Investoren, die über national motivierte Interessen an dem „deutschen“ Unternehmen erhaben sind und ausschließlich auf ihre Rendite achten. Mit einer abstrakten Moral aber, der längst der materielle Boden verloren gegangen ist, kommt man in dem realen Machtkampf nicht weiter. Hannes Koch
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