Schutz vor Anschlägen in Berlin: Sicherheit per Gesetz
Der Innensenator will Vorgaben machen, wie Veranstaltungen im öffentlichen Raum vor Anschlägen geschützt werden müssen.
Den Anlass, ein solches Gesetz zu schaffen, gab der Rechtsstreit zwischen dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf und dem Betreiber des Weihnachtsmarkts am Schloss Charlottenburg. Gegen die Auflage des Bezirks, Poller auf eigene Kosten aufzustellen, war der Betreibervor Gericht gegangen. Mit Erfolg. „Weder das Grünflächengesetz noch das Straßengesetz kennen die Forderung nach einem Sicherheitskonzept bei Großveranstaltungen“, kommentiert Klaus Zuch das Urteil. „Hier war nun der Gesetzgeber gefragt.“
Zugleich soll das Veranstaltungssicherheitsgesetz die Sicherheitskriterien der Bezirke vereinheitlichen. Das hatte vor einem Jahr schon der grüne Sicherheitsexperte Benedikt Lux gefordert. „Genehmigungen gibt es oft erst kurz vor Beginn einer Veranstaltung. Damit gibt es aber kaum mehr Planungssicherheit“, so Lux damals zur taz.
Kritik hatte auch die landeseigene Kulturprojekte GmbH geübt. „Bei vielen Orten ist es nicht einfach, sie genehmigungsfähig zu bespielen“, hatte Geschäftsführer Moritz van Dülmen der taz gesagt. Van Dülmen wollte zum 100. Jahrestag der Novemberrevolution Barrikaden am Stadtschloss und in Kreuzberg errichten lassen. Doch der bürokratische Aufwand wäre zu groß gewesen, sagte er.
Zuch versicherte nun, dass das Gesetz für Veranstalter „keinen erheblichen bürokratischen Mehraufwand“ mit sich bringen werde. Vielmehr solle es künftig einen Ansprechpartner geben, mit dem alle Voraussetzungen für eine Genehmigung geklärt werden können. Unklar ist aber noch, ob diese Stelle bei den Bezirken angesiedelt oder ob dafür eine eigene Landesbehörde geschaffen werden soll.
Moritz van Dülmen
Zu Beginn des Symposiums hatte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) gesagt, der 19. Dezember 2016 habe „sich tief ins Gedächtnis der Stadt eingeprägt“. Dass es in den drei Jahren bis heute keinen Anschlag in Berlin gegeben habe, sei auch den Sicherheitsbehörden geschuldet, die gut aufgestellt seien. „Aber Berlin hatte auch Glück“, so Geisel.
Die Szenarien für Anschläge, so der Innensenator, gingen heute nicht mehr von einem „großen Knall“ aus, sondern von „Anschlägen mit kleinen Mitteln“. Das habe Auswirkungen auf Veranstaltungen wie die zum 1. Mai, den Karneval der Kulturen, das Lollapalooza Festival oder den Berlin-Marathon. Hier gehe es um die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit. „Wenn wir nur die Sicherheitsbehörden fragen würden, kämen wir bei der Green Zone in Bagdad raus“, meinte Geisel. „Das wollen wir nicht.“
Aus Sicht der Wissenschaft wies Psychologin Birgitta Sticher von der HWR darauf hin, wie wichtig bei unvorhergesehenen Ereignissen Informationen und Anweisungen seien. „Auch Menschen, die den Sicherheitskräften sonst kritisch gegenüberstehen, sind in solche Situationen bereit, sie zu befolgen“, so Sticher.
Aus den USA berichtete Lieutenant Branden Clarkson über den Massenmord in Las Vegas, bei dem 2017 ein Schütze aus dem 32. Stock eines Hotels mit halbautomatischen Waffen 58 Besucher eines Konzerts tötete. Selbst gestandene Polizeibeamte und Feuerwehrleute im Publikum rieben sich bei der Sichtung des Videomaterials die Augen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken