Schutz von Insekten: Sie sind systemrelevant
Die artenreichste Tierklasse ist nicht nur aus ökologischen Gründen schützenswert. Sie sind überaus nützlich und auch ökonomisch relevant.
Insekten sind systemrelevant – auch wirtschaftlich. Einerseits machen sie den Menschen die Ernte streitig. Laut dem Umweltverband BUND werden in Deutschland jährlich rund 50.000 Tonnen Pestizide im Wert von weit über einer Milliarde Euro auf den Äckern versprüht. Oft unterschätzt wird andererseits ihr positiver ökonomischer Beitrag.
Zum einen sind da die klassischen Nutzinsekten wie Honigbiene, Seidenspinner oder auch die Cochenilleschildlaus, die den roten Farbstoff Karmin liefert. Die Produkte dieser teils domestizierten Arten bringen wichtige Einnahmen. Verbraucher*innen in Deutschland essen durchschnittlich einen Kilogramm Honig im Jahr. Um diesen Bedarf zu decken, werden laut Hamburger Honig-Verband fast 90.000 Tonnen im Wert von über 250 Millionen Euro importiert.
Die meisten Leistungen vor allem wilder Insekten werden aber nicht bezahlt oder gar bemerkt. So fressen viele Insekten andere Insekten – ein natürlicher Pflanzenschutz, der weltweit einem Nutzen von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr entspreche, so der europäische Verbund von Wissenschaftsakademien. Außerdem erhalten Insekten die Bodenfruchtbarkeit und verbessern so die landwirtschaftliche Produktivität für 25 Milliarden US-Dollar.
Weltbiodiversitätsrat
Rechnet man die Bestäubungsdienste der Biene mit ein, ist sie nach Rind und Schwein das drittwichtigste Nutztier. Wie der Weltbiodiversitätsrat berichtet, schätzen Forscher den ökonomischen Gesamtwert der Bestäubung durch Insekten weltweit auf 265 bis 577 Milliarden US-Dollar. Angesichts dessen erscheinen die von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) geplanten 100 Millionen Euro für den Aktionsplan Insektenschutz nicht viel.
Verschwindend wenig
Der Insektenforscher Thomas Schmitt begrüßt den Vorstoß, gibt aber zu bedenken: „Auf die Agrarfläche Deutschlands umgerechnet sind das gerade mal knapp 6 Euro pro Hektar.“ Verschwindend wenig im Vergleich zu den Milliarden an Agrarsubventionen. „An den Betrag müssen also eigentlich noch Nullen dran.“
Vor allem aber müssten die Gelder in der Landwirtschaft anders verteilt werden, so Schmitt: „Während beispielsweise Mais-Monokulturen hohe Zuschüsse erhalten, bekommt ein Bauer, der eine naturnahe Wiese mit wilden Blumen bewirtschaftet, kaum mehr dafür.“
Der Bauernverband bekennt sich zwar zum Insektenschutz, sein Umweltbeauftragter Eberhard Hartelt schränkt aber ein: Die Vorschläge müssten „auch die ökonomischen Herausforderungen der Landwirtschaft berücksichtigen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Deutsche und das syrische Regime
In der Tiefe