Bedeutende tote Tiere in Kiel: Das große Krabbeln

Naturkundler mit revolutionären Ambitionen: Das Kieler Zoologische Museum würdigt Johann Christian Fabricius, den Begründer der wissenschaftlichen Insektenkunde.

Star der Fabricius-Sammlung: Königsbock (Zographus regalis). Foto: Jutta Drabek-Hasselmann

Dass WissenschaftlerInnen sich nicht begeistern könnten, ist natürlich nur ein rhetorischer Strohmann; einer, wie ihn JournalistInnen so gern aufrichten: Umso größer dann die Überraschung, die eigentlich gar keine ist, wenn sie es doch tun, also: sich begeistern, die WissenschaftlerInnen. Steigern lässt sich dieses ehrlich gesagt ziemlich durchsichtige Stilmittel noch mit dem Grad an (unterstellter) Exotik der jeweiligen Wissenschaftsdisziplin. Nehmen wir Entomologie, zu Deutsch: Insektenkunde.

Begeisterte Entomologen nämlich – genauer: einen ebensolchen, dazu einen Museumsdirektor und einen Universitätspräsidenten – konnte man Ende November in Kiel erleben. Da erinnerte die örtliche Hochschule an einen großen Sohn der Stadt, aber eigentlich mindestens so sehr an deren Bedeutung als, nun ja, Wissenschaftsstandort. Zu der nämlich, so war zu erfahren, hat er beigetragen, dieser Johann Christian Fabricius, geboren zu Jahresanfang 1745 in Tondern, damals im Herzogtum Schleswig gelegen.

Lehre bei Linné

In Uppsala studierte der Sohn eines Arztes bei einem anderen Mediziner, der aber nur einer war, weil seine eigentlichen Leidenschaften noch nicht in eigenständigen akademischen Fächern aufgegangen waren: Carl von Linné, der Vater der bis heute maßgeblichen Methode, Tier- und Pflanzenarten zu benennen.

Er war Professor für Ökonomie und für Naturwissenschaften. Auch wenn er also allerlei Qualifikationen erwarb und zu Lebzeiten manches andere tat: Bei Fabricius’ Tod im Jahr 1808 wurde dann doch vor allem ein Biologe betrauert, einer der bedeutendsten der Generation nach Linné, so formuliert es die Kieler Christian-Albrechts-Universität (CAU) heute. Darf es noch mehr Superlativ sein? Einen weltweit bekannten Entomologen habe man beherbergt mit dem Mann, von 1775 bis 1801, und dieser Rang hat nun wiederum ganz wesentlich zu tun mit Fabricius’ Sammelleidenschaft,

Tausende Tiere hat er zusammengetragen, gut 10.000 neue Arten beschrieben, Insekten vor allem; manche davon direkt in der norddeutschen Umgebung gesammelt, andere kamen mit dem Weltumsegler James Cook nach Europa. Weil Fabricius nicht nur mit Mitreisenden bekannt war, sondern auch sonst beste Kontakte unterhielt zu den akademischen Leuchttürmen jener Zeit, konnte er eben beschaffen, worauf sie heute so stolz sind an der Förde.

Stolz an der Förde

Denn das war, was die erwähnten Herren so begeistert vor die Presse treten ließ an jenem Freitag: Rund 11.000 Exponate, manche kaum größer als die sie aufspießende Nadel dick ist, sind zurückgekehrt nach Kiel, aus Kopenhagen, wohin die Sammlung seit den späten 1950er-Jahren ausgeliehen war; am Rande des Termins war zu vernehmen: Ganz ohne diplomatisches Geschick wäre diese Heimkehr wohl auch nicht vonstatten gegangen. Von „vermehrten Bestrebungen“, die Sammlung zurückzuholen, weiß die CAU-Pressestelle zu berichten: „Im vergangenen Jahr konnte schließlich eine für beide Seiten sowie für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt zufriedenstellende Lösung erzielt werden.“

Auf deren Land-, ach was: Weltkarte, der fachkundlichen also, erscheine man nun wieder, sagte neulich Dirk Brandis, Direktor des Zoologischen Museums, erste Gäste seien auch schon da gewesen deswegen. Einen klitzekleinen Ausschnitt der Sammlung bekommt nun aber auch das ganz normale Publikum zu sehen: in Gestalt einer kleinen, feinen interaktiven Dauerausstellung. So spektakulär nun so ein vergrößerter Käferkopf ist, zumal wenn in derart gutem Zustand wie die Bestände Fabricius’ es nach 250 Jahren sind: Was nun oben im Museum zu erleben ist – kaum mehr als eine Andeutung der eigentlichen Sensation.

Die lagert im Keller des Hauses, im an Erschütterungen ärmsten Raum und dort in eigens angeschafften Stahlschränken, die wiederum, noch eine Vorsichtsmaßnahme, nicht alle nebeneinander stehen, sondern möglichst weit entfernt voneinander: Sollte doch einmal etwas passieren, soll wenigstens nicht alles Schaden nehmen, so die Idee.

Denn die Hochschulverantwortlichen vergleichen, was da … nein, krabbeln tut es ja gerade nicht mehr. Aber mit nichts Geringerem als dem Pariser „Urmeter“ vergleichen die Kieler Verantwortlichen nun die Sammlung: So wie jenes postrevolutionäre Stück Metall im Wortsinne das Maß eines weltweit verwendeten Systems von Längen und -verhältnissen darstellt, finden sich in Fabricius’ Beständen nämlich zahlreiche Typusexemplare, sozusagen die Originale ihrer Art: Jede wissenschaftliche Untersuchung weltweit muss diese Exemplare berücksichtigen, und im Kieler Keler bewahrt man nun mehr als 3.000 Käfer-Typusexemplare auf, dazu immerhin 100 von marinen Krebsen. Auch solche hatte Fabricius gesammelt, aber zusammen mit seinen Fliegen, Wanzen, Bienen und Schmetterlingen bleiben die in Kopenhagen.

Sensationelle Käfer

Aber die Käfer sind ja schon sensationell genug: Nicht nur hat die Kieler Universität rund 40.000 Euro allein für die kleine Ausstellung ausgegeben, die ja besondere Rücksicht nehmen muss auf die empfindlichen Tiere; wie die zu beleuchten sind, ohne ihre Alterung zu beschleunigen, das muss eine Herausforderung gewesen sein. Man richtete für die wissenschaftliche Aufbereitung eigens eine Professur ein: Der eingangs erwähnte begeisterte Entomologe, das ist Michael Kuhlmann, der 2015 schon vom Natural History Museum in London geholt wurde.

Brandis beschrieb den großen Kieler nicht zuletzt als einen Mann mit Sympathien für eine Revolution, auch für die französische zu seinen Lebzeiten: Um 1790 war Fabricius wiederholt in Paris zu Besuch. Vielleicht noch bedeutender aber mag man finden, was er in anderer Hinsicht vorformulierte: Von den „Arten der grösseren Affen“, aus welcher der Mensch „sich entwickelt zu haben scheint“, schrieb er 1804 – was Charles Darwin Jahrzehnte später erst ohne Weiteres so zu formulieren wagte.

Zoologisches Museum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Hegewischstraße 3.

Geöffnet Di–Fr 9–17 Uhr, Sa 10–17 Uhr, So (und feiertags) 12–16 Uhr. Achtung: Von Freitag, 21.12.2018, 14 Uhr, bis einschließlich Dienstag, 1.1.2019, ist das Museum geschlossen.

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