Schutz der Schweinswale: Sylter Außenriff wird geschützt
Auf Druck der EU hin will die Bundesregierung mit dem Naturschutz in dem Seegebiet ernst machen.
Das Sylter Außenriff soll unter Naturschutz gestellt werden. Das bestätigte das Bundesumweltministerium am Mittwoch auf Anfrage der taz.nord. Es gehe darum, „erhebliche Beeinträchtigungen des Gebietes zu verhindern“, sagte eine Sprecherin. Damit sollten die Anforderungen der europäischen Richtlinie Flora-Fauna-Habitat (FFH) erfüllt werden. Auch die FFH-Gebiete Doggerbank und Borkum Riffgrund sollten per Rechtsverordnung geschützt werden. Die Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung sei aber noch nicht abgeschlossen, teilte das Ministerium mit.
Das Sylter Außenriff, etwa 70 Kilometer westlich von Sylt, gilt als Kinderstube der einzigen heimischen Delfinart, der Schweinswale. Auch die seichte Doggerbank mitten in der Nordsee, etwas größer als das Land Schleswig-Holstein, und der Riffgrund vor der ostfriesischen Insel Borkum, kleiner als Hamburg, gelten als ökologische Kleinodien.
Sie liegen, ebenso wie das gut 5.000 Quadratkilometer große Sylter Außenriff (siehe Kasten) außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und damit in der Zuständigkeit des Bundes. Nach Auskunft des Bundesumweltministeriums besteht Konsens mit dem für Fischfang zuständigen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, „dass auch Naturschutzanforderungen an die Fischerei verankert werden“. Diese würden gegenwärtig „in einem gesonderten Verfahren nach dem EU-Fischereirecht national und international abgestimmt“, anschließend sei noch „ein Konsultationsprozess mit den Anrainerstaaten“ Dänemark, Großbritannien und Niederlande notwendig.
Somit dürfte es also Beschränkungen für die Stellnetzfischerei sowie für das Fischen mit Schleppnetzen geben. In einigen Gebieten dürften auch totale Fangverbote gelten. In Stell- und Schleppnetzen werden viele Schweinswale und Robben verletzt oder als ungewollter Beifang getötet. Die Fischereiverbände haben Beschränkungen bisher stets abgelehnt. Die EU wiederum hatte gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet, weil es zwar zehn Nord- und Ostsee-Areale zu „Natura 2.000“-Gebieten erklärt hatte, ohne dies jedoch bisher in einer Schutzgebietsverordnung inklusive Fischfang-Regeln umzusetzen.
Das Meeresgebiet liegt rund 70 Kilometer westlich der nordfriesischen Insel Sylt in der Nordsee.
Fläche: Das Areal liegt in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und untersteht damit nicht dem Land Schleswig-Holstein, sondern dem Bund.
Größe: Mit rund 5.300 Quadratkilometern ist das Außenriff etwa sieben Mal so groß wie Hamburg oder ein Drittel Schleswig-Holsteins.
Schutzstatus: Das Areal gehört zum EU-Schutzgebietsnetz Natura 2000. Die Fischerei sowie der Abbau von Sand und Kies ist dennoch erlaubt.
Das Sylter Außenriff ist nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) ein Gebiet „mit hoher Artenvielfalt und für die Nordsee geradezu farbenprächtigen Riffen“, die in dieser Form „einmalig in der deutschen Nordsee“ seien. Hier würden die meisten Schweinswale, vor allem Mutter-Kalb-Paare, gezählt, weshalb das Riff eine wichtige Rolle als Paarungs- und Kalbungshabitat spiele. 2015 zählte das BfN dort 54.000 Schweinswale, in der gesamten Nordsee wird der Bestand auf etwa 300.000 Tiere geschätzt.
Zudem sei es von großer Bedeutung als Jagdrevier für Seehunde und Kegelrobben. Deshalb müsse das Sylter Außenriff, so das BfN, in seinen „spezifischen ökologischen Funktionen, der biologischen Vielfalt und der natürlichen Dynamik erhalten oder wiederhergestellt“ werden. Das sieht nun auch unter Druck der EU das Bundesumweltministerium so: „Konkrete Maßnahmen zur Erreichung eines günstigen Erhaltungszustandes können in einem nachfolgenden Managementplan vorgesehen werden“, sagte die Ministeriumssprecherin. Über Kosten und Fristen könnten aber noch keine Auskünfte gegeben werden. Das schleswig-holsteinische Umweltministerium erklärte, in die Planungen des Bundes „nicht offiziell eingebunden“ zu sein.
Im August 2008 hatte Greenpeace in einer spektakulären Aktion gut 300 tonnenschwere Findlinge am Sylter Außenriff in rund 30 Meter Tiefe versenkt, bis die Meeresschützer von der Bundespolizei und Gerichten wegen möglicher Gefährdung der Schifffahrt gestoppt wurden. Die Steine sollten die Fischerei mit Grundschleppnetzen ebenso wie den Sand- und Kiesabbau am Meeresgrund verhindern. Beides pflüge den Boden um, kritisierte Greenpeace-Meeresbiologin Iris Menn seinerzeit: „Hier werden täglich Millionen Meeresorganismen sinnlos getötet.“ Deshalb solle mit dem Versenken der Steine „ein Schutzgebiet geschützt werden“.
In einem Monitoring-Bericht im Mai 2011 wies die Hamburger Umweltorganisation zahlreiche Organismen auf den Steinen nach. Seenelken, Seesterne, Muscheln, Moostiere, Krebse und zahlreiche Fischarten hatten die Findlinge zu ihrer Heimat erkoren. Die Felsen seien „Teil des natürlichen Riffs geworden“, so Greenpeace.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“