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Schulstart in BerlinBack to Personalmangel

Pünktlich zum Schulstart steht fest: Der Personalmangel an Schulen ist weiterhin dramatisch. Der Senat will trotzdem beim Lehramtsstudium kürzen.

An Berliner Schulen gibt es immer mehr Vertretungsstunden Foto: dpa / Frank Hammerschmidt

Berlin taz | Noch sechs Mal schlafen, dann geht die Schule wieder los. In Berliner Lehrerzimmern wird die Vorfreude allerdings überschattet von einem dramatischen Personalmangel. Von rund 4.200 benötigten voll ausgebildeten Lehrkräften wurden in diesem Jahr lediglich 695 eingestellt. Das geht aus einer Anfrage der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hervor. Die Lücke wird mit Studierenden, Quer­ein­stei­ge­r:in­nen und Ru­he­ständ­le­r:in­nen gestopft. So wird der Gesamtbedarf zwar erfüllt, allerdings sind nur knapp 15 Prozent der Eingestellen voll ausgebildete Lehrkräfte.

„Darunter leidet selbstverständlich auch die Bildungsqualität“, sagt die Anfragestellerin und bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Franziska Brychcy. Die Gewerkschaft Erziehung und Wirtschaft (GEW) prophezeit mehr Vertretungen, weniger Unterricht und eine steigende Belastung der Lehrkräfte.

„Die Realität an den Schulen ist: Es fehlt an ausgebildeten Lehrkräften, es fehlt an Verlässlichkeit und es fehlt an einer Politik, die den Mangel wirksam bekämpft“, sagt der Vorsitzende der GEW Berlin, Gökhan Akgün. Die Kol­le­g:in­nen würden seit Jahren an der Grenze der Belastbarkeit arbeiten. „Was Berlin fehlt, ist eine Personalpolitik, die den Beruf attraktiv macht und Lehrkräfte im System hält“, so Akgün. So bewerben sich in Berlin immer weniger Menschen aus anderen Bundesländern um ein Referendariat. Die Gründe dafür sind laut GEW vielfältig, Schuld seien beispielsweise zu hohe Wohnkosten.

Erst kürzlich wurde die Belastung der Berliner Lehrkräfte durch eine Studie der Universität Göttingen sichtbar. Das Ergebnis: zu lange Arbeitszeiten und eine teils starke mentale Belastung. Der GEW prangert einen strukturellen Mangel an, durch den jährlich mehr als 1.000 Lehrkräfte den Berliner Schuldienst verlassen. Es sei „eine Abwärtsspirale, die ohne grundlegende Kurskorrektur nicht zu stoppen ist“.

Derweil sieht der neue Haushaltsentwurf des schwarz-roten Senates Kürzungen bei der Grundfinanzierung der Hochschulen und bei den Sondermitteln für Lehrkräftebildung vor. Gökhan Akgün warnt vor langfristigen negativen Folgen, falls der Ausbau der Lehrkräftebildung wirklich gestoppt würde. „Es hat über zehn Jahre gedauert, bis sich kleine Erfolge bei den Absolvent:innen-Zahlen im Lehramt eingestellt haben. Dieses zarte Pflänzchen darf nicht wieder zertreten werden!“, sagt Akgün.

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2 Kommentare

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  • Laut aktueller Prognosen wird die derzeit durch Sondereffekte stark gestiegene Anzahl an SuS ab 2035 drastisch sinken. Jetzt mehr Lehrer auszubilden könnte dann also gar nicht mehr notwendig sein, wenn diese das Studium in 5-10 Jahren abgeschlossen haben.

  • Ich war auf einer katholischen Privatschule, da gab es jede Menge Quereinsteiger aus der Wirtschaft. Wenn ich ehrlich bin, da war gerade der Unterricht in den Naturwissenschaften wesentlich besser und anschaulicher als bei manchem müden Beamten.