Schulreform in Berlin: Schlaue bleiben unter sich
Die Ideen des Bildungssenators zur Umgestaltung des Berliner Schulsystems überraschen die Fachleute. Mit seinen Plänen zur Stärkung der Gymnasien führe er die Selektion fort, so die Kritik.
Während die geplante Abschaffung der Hauptschulen weitgehend auf Zustimmung stößt, erregen die Pläne von Jürgen Zöllner (SPD) zur Stärkung der Gymnasien einigen Unmut. Der Bildungssenator hatte vorige Woche angekündigt, er werde die Gymnasien "weiterentwickeln" und dabei auch die grundständigen Gymnasien "stärken". Im Interview mit der taz unterstreicht er diese Haltung: Für die, "die es wollen und können", müsse man auch Alternativen vorsehen zum gemeinsamen Lernen in der geplanten Regionalschule ab der 4. Klasse. "Ich finde, dass wir ein solches Angebot brauchen, wenn wir so etwas wie die kreativste Metropole Europas sein wollen", so Zöllner.
An den grundständigen Gymnasien beginnt der Weg zum Abitur bereits nach der 4. Klasse und nicht wie in Berlin sonst üblich nach der sechsjährigen Grundschule. Nur die besten GrundschülerInnen werden dort aufgenommen. Dass Zöllner gerade diese Schulen weiterentwickeln will, entsetzt die GEW-Vorsitzende Rose-Marie Seggelke. "Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich dafür einsetzen, dass es mit der Gemeinschaftsschule vorangeht. Und das absolute Gegenteil dessen, was die SPD auf ihrem Parteitag beschlossen hat." Statt Schüler unterschiedlicher sozialer Herkunft und Leistungsstärke möglichst lange zusammen zu lassen, würden die guten noch früher aussortiert. "Damit wird die Idee des gemeinsamen Lernens schon in der Grundschule kaputt gemacht".
Völlig überrascht von Zöllners Plänen ist Wolfgang Harnischfeger, Leiter des Beethoven-Gymnasiums. Kernidee des Konzepts des Senators sei doch, die Anzahl der Schultypen zu reduzieren: "Da wäre es absolut inkonsequent, weitere grundständige Züge einzuführen", so Harnischfeger, der auch Vorsitzender der Schulleitervereinigung der Berliner GEW ist.
Positiv überrascht äußerte sich dagegen André Schindler, Vorsitzender des Landeselternausschusses (LEA). Er halte Zöllners Vorstoß "für in jeder Hinsicht sinnvoll". Die Zahl der Kinder, die die Grundschulen nach der vierten Klasse verlassen wollen, steige kontinuierlich an: "Für ungefähr die Hälfte fehlt es an Plätzen an den grundständigen Gymnasien", so Schindler. Studien hätten bewiesen, dass Lernen in homogenen Gruppen erfolgreicher sei: "Selbst die Fritz-Karsen-Schule, die als Paradebeispiel einer Gemeinschaftsschule gilt, teilt ihre SchülerInnen in Mathematik ab der neunten Klasse in leistungsdifferenzierte Gruppen auf."
"Das tun wir, weil wir das müssen, nicht weil wir wollten", widerspricht Fritz-Karsen-Direktor Robert Giese der Darstellung des LEA-Vorsitzenden. Die Gesamtschule in Neukölln, die seit Jahrzehnten als Modellversuche viele Prinzipien der Gemeinschaftsschule umsetzt, habe auf Geheiß der Kultusministerkonferenz im Fach Mathematik die Aufteilung in Gruppen verschiedener Leistungsstärken eingeführt. In allen anderen Fächern dagegen werden die SchülerInnen gemeinsam unterrichtet. "Und das ist der Weg, den wir weiter gehen wollen", so Giese, dessen Schule sich am Modellprojekt Gemeinschaftsschulen des Senats beteiligt. "Im Zuge dessen sind wir gerade dabei, neue Formen gemeinsamen Lernens unterschiedlich begabter Kinder zu entwickeln." Die Vorschläge des Senators hält der Schulleiter deshalb "für kontraproduktiv".
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