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Schulpolitik in Mecklenburg-VorpommernRegieren ist kein Ponyhof

Die Pandemie macht es Simone Oldenburg (Linke) schwer, ihre neue Rolle als Bildungsministerin von Mecklenburg-Vorpommern zu finden.

Schulschließungen? Nicht mit Bildungsministerin Simone Oldenburg (Die Linke) Foto: Jens Buettner (dpa)

BREMEN taz | Mindestens eine Einsicht hat Simone Oldenburg (Die Linke) seit ihrem Amtsantritt gewonnen. „Es muss jedes Wort sitzen“, sagt die neue Bildungsministerin von Mecklenburg-Vorpommern, „das habe ich gelernt“. Anfang Dezember hatte sie per Twitter verkündet, dass die Schulen aufs Infektionsrisiko bezogen sichere Orte seien, viel sicherer als das häusliche Umfeld.

Verharmlosend fanden das viele Twitternutzer*innen, auch ihr eher Wohlgesinnte. In der dadurch entzündeten Kurzbotschaften-Debatte hatte sie sich dann regelrecht verkämpft, bis hin zu einem Tweet der, inzwischen gelöscht, augenscheinlich Inzidenzen und absolute Zahlen durcheinandergeworfen hatte. „Das passiert uns hoffentlich nicht wieder“, sagt die stellvertretende Ministerpräsidentin der taz.

In den wenigen Wochen seit Regierungsantritt war das schon das zweite Mal, dass die Bildungspolitikerin heftigen Widerspruch geerntet hatte. Auch beim ersten Mal ging es um Corona-Maßnahmen.

Da war aber ihre Stoßrichtung eher gegenläufig gewesen: Kaum vereidigt, hatte sie Mitte November noch angeregt, den Sportunterricht auszusetzen – was laut Nordkurier viele Lehrkräfte empört hatte. Angesichts der oft stundenlangen Fahrten im vollen Schulbus, die der Unterrichtsbesuch im am dünnsten besiedelten Bundesland für viele Kinder bedeutet, seien die Kontakte im Sportunterricht ein zu vernachlässigendes Risiko.

Verunsicherte Eltern

Bis zur Wahl im September war Oldenburg Fraktionsvorsitzende der wichtigsten Oppositionspartei im Schweriner Landtag gewesen. Wieder mitzuregieren war dabei immer ein Ziel der strikt pragmatischen Landes-Linken gewesen. Das ist jetzt erreicht – aber unter pandemischen Bedingungen kein echtes Vergnügen.

Zumal in der Bildungspolitik: Für Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte waren die ersten Pandemiewellen ein echtes Drama, gerade in Mecklenburg-Vorpommern. Denn Distanzunterricht reißt in einem Flächenland mit miserabler digitaler Infrastruktur besonders große Lücken.

Zugleich verunsichert viele das Infektionsgeschehen: Von den norddeutschen Bundesländern ist Mecklenburg-Vorpommern derzeit am schlimmsten getroffen, gegen den Bundestrend steigen die Zahlen auch weiterhin. Und laut Landesgesundheitsamt ist die Inzidenz bei schulpflichtigen Kindern dort regelrecht explodiert. Lag sie in der 44. Kalenderwoche noch bei 375, erreicht sie im aktuellem Lagebericht den Wert von 1.685. Ein Abklingen der Dynamik ist nicht absehbar.

Weihnachtsferien werden nicht vorgezogen

Im Gegenzug verweist Oldenburg auf die eher geringen Infektionszahlen in den Schulen. Bei den Schü­le­r*in­nen habe man derzeit „339 Index- und 210 Folgefälle“, so die Ministerin. „Das sind gerade mal 0,36 Prozent.“ Die Weihnachtsferien vorzuverlegen, komme daher nicht in Betracht.

„Schulen sind keine Pandemietreiber“, so Oldenburg. Lediglich am 20. und 21. Dezember findet kein Präsenzunterricht statt. Die Schülerinnen und Schüler erhalten für diese beiden Tage Aufgaben, die sie zu Hause bearbeiten können. Die Notbetreuung für Klasse 1 bis 6 ist abgesichert.

Ihre Einschätzung stützt Oldenburg auf die regionale Schul-Studie des Dekans der Rostocker Uni-Medizin, Emil Reisinger, einschlägige britische Forschung aus dem Frühjahr und aktuelle Evaluationen der Universität Köln und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung.

„Wir haben jetzt anderthalb Jahre die Pandemiebekämpfung auf dem Rücken der Kinder ausgetragen“, stellt sie klar. „Die Lücken, die das verursacht hat, kann man ohne zusätzliche Unterstützung nicht vollständig ausgleichen.“ Das dürfe aber nicht zu erhöhtem Druck führen. Im Gegenteil, „hier werden wir erheblich entschleunigen müssen“, so Oldenburg denn: Niemand könne ja einen Schultag um viele weitere Stunden Nachhilfe verlängern. „Die Aufnahmefähigkeit ist begrenzt.“

Gewerkschaft kritisiert schlechte Kontaktverfolgung

Und noch weit schwieriger als die kognitiven seien die Defizite des sozialen Lernens auszugleichen. „Eines steht fest: Kinder brauchen Kinder.“ Bevor also darüber nachgedacht werde, Schulen zu schließen, „müssen andere Maßnahmen von Ar­beit­ge­be­r*in­nen und Ar­beit­neh­me­r*in­nen möglich sein“, sagt Oldenburg.

Die Leh­re­r*in­nen­ge­werk­schaft GEW geht da nur vorsichtig auf Distanz. Statt Oldenburg frontal anzugreifen, werden erhebliche Mängel im Kontaktverfolgungs-Management und eine unzureichende Datenlage gerügt. Beides geht auf die Kappe der Gesundheitsverwaltung.

So seien in Rostock vom Gesundheitsamt Genesenen-Bescheinigungen ausgestellt worden, bevor eine Freitestung mit Negativ-Befund vorlag. Fast überall im Land werde Betroffenen empfohlen, ihre Kontakte selbst zu informieren.

So etwas verunsichere, gerade die Schulleitungen würden sich „im Stich gelassen“ fühlen, teilten die GEW-Landesvorsitzende Annette Lindner und ihr Vize Maik Walm mit. Das Land müsse seinen Umgang mit Kitas und Schulen überdenken. Eine Möglichkeit sei, den Rek­to­r*in­nen „mehr Eigenverantwortung zu übertragen“, hieß es auf Nachfrage der taz.

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