Schule will in den Görlitzer Park ziehen: Schüler sollen im Grünen lernen
Die Freie Schule Kreuzberg sucht dringend Räumlichkeiten. Das leerstehende Haus 1 im Görlitzer Park wäre geeignet - doch der Bezirk zögert mit einer Entscheidung.
Kaum lässt sich die Sonne blicken, wird es voll am westlichen Ende des Görlitzer Parks. Auf der Terrasse des Café Edelweiß drängen sich die Gäste auf blauen Klappsitzen und zerschlissenen Sofas. Sonnenhungrige strecken sich auf den steinernen Treppen, die um das Gebäude führen, Hunde toben über den staubigen Platz. Nur die Fenster und Tore von Haus 1 bleiben geschlossen, viele Schichten Graffiti verdecken den ziegelroten Putz. Der geräumige Bau mit dem weit herabgezogenen Dach, der direkt an das Café Edelweiß grenzt, gehört dem Bezirk - und steht seit 2006 leer.
Unverständlich ist das für viele Initiativen und Projekte, die nach bezahlbaren Räumlichkeiten in Kreuzberg suchen und keine finden. Etwa die Freie Schule Kreuzberg, die eine Straße vom Görlitzer Park entfernt ihre Klassenräume hat. Rund dreißig Kinder werden hier seit drei Jahren unterrichtet, in kleinen Gruppen und nach einem stark praxisbezogenen Konzept. Die Schule richtet sich insbesondere an Kinder, die auf anderen Schulen Probleme haben. Doch bisher geht sie nur bis zur sechsten Klasse, dann müssen die Kinder auf andere Schulen wechseln. "Schade" findet das Martina Hoffmann, die die Schule mit aufgebaut hat und dort heute Teamleiterin ist. "Die Kinder haben sich dann gerade daran gewöhnt, selbständig und im Team zu arbeiten. Dann kommen sie wieder in große Klassen und sollen vor allem auswendig lernen."
Eigentlich würde die Freie Schule gerne ab Herbst eine siebte und achte Klassenstufe anbieten, langfristig auch eine gymnasiale Oberstufe. Das Schulamt hat die Erweiterung zur Oberschule "Quereinstieg SO36" genehmigt, auch von Seiten der SchülerInnen und Eltern gibt es Interesse. "Es fehlt nur noch ein geeignetes Gebäude, dann könnten wir loslegen", sagt Nicole Tubes von der Elterninitiative Freie Schule Kreuzberg.
Das aber ist nicht so einfach: Größere Räume zu Preisen, die kleine Initiativen und Projekte zahlen können, sind in Kreuzberg rar geworden. Das Haus 1 im Görlitzer Park hält Hoffmann für die Oberschule bestens geeignet: "Es liegt direkt im Park, in der Nachbarschaft zu anderen Jugendprojekten wie dem Kinderbauernhof und dem Kreuzer, auch sanitäre Anlagen gibt es schon." 2007 haben Vertreter der Freien Schule das Gebäude mit einem Architekten begangen und sich beim Bezirk um das Haus 1 beworben. Nur: Gehört hat die Freie Schule vom Bezirk bis heute nichts. Ebenso wenig wie die zehn weiteren Bewerber für Haus 1, die ihre Unterlagen eingereicht haben, nachdem der Bezirk das Gebäude im Sommer 2006 zur Verpachtung ausgeschrieben hatte. Der vorherige Nutzer, die Gaststätte Stadionpark, war da gerade in die Insolvenz gegangen. Haus 2 war bald neu vermietet und beherbergt heute das Café Edelweiß. Haus 1 hingegen wurde zeitweise von den MitarbeiterInnnen des Grünflächenamtes genutzt - und blieb dann leer.
"Die Geschichte ist etwas aus dem Blickfeld geraten", gibt Ursula Meyer, Referentin der Baustadträtin Jutta Kalepky (parteilos, für Grüne), zu. Für die Verzögerung bei der Vergabe, so Meyer, sei auch der Wechsel im Bezirksamt nach den Wahlen 2006 verantwortlich: Unter dem neuen Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) regelte das Bezirksamt die Vergabe von Bezirksimmobilien an Externe neu; das sollte für mehr Transparenz sorgen. Seither muss jede Ausschreibung und Vergabe von allen StadträtInnen und dem Bürgermeister gemeinsam entschieden werden. "Teils entwickeln sich da sehr langwierige Verfahren", erklärt Meyer.
Zumindest mit Haus 1 soll es aber nun endlich vorangehen. Auf seiner Sitzung vergangene Woche hat das Bezirksamt das weitere Verfahren beschlossen. Das Ergebnis ist für die Freie Schule Kreuzberg keine gute Neuigkeit: Den Zuschlag für Haus 1 soll der Bewerber bekommen, der die höchste Pacht bezahlt. Andere Kriterien, die der zuständige Fachbereich für Natur- und Grünflächen vorgeschlagen hatte - etwa die Professionalität der Bewerber und den Nutzen für den Park und das Viertel -, sind vom Tisch. Ausgeschlossen bleibt nur eine rein gastronomische Nutzung, wegen der Konkurrenz zum benachbarten Café.
In den nächsten Tagen werde das Bezirksamt die Bewerber auffordern, einen detaillierten Finanzplan einzureichen, kündigt Meyer an. Noch im Juli könnte dann eine Entscheidung fallen, im August der neue Nutzer einziehen. Die Freie Schule kann noch hoffen. Die Chancen, dass sie oder ein anderes soziales Projekt mit wenig Geld das Haus 1 künftig nutzen können, stehen allerdings nicht sehr gut.
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