Schuldenkrise in den USA: Staatspleite könnte eine Lösung sein
In den USA wird über eine Insolvenz überschuldeter Bundesstaaten diskutiert. Könnte dies ein Vorbild für die europäischen Krisenländer wie Griechenland und Irland sein?
BERLIN taz | Die europäischen Krisenländer wie Griechenland, Irland und Portugal sind nicht die einzigen, die derzeit mit zu großen Schuldenbergen zu kämpfen haben. Auch in den USA gelten zahlreiche Bundesstaaten als überschuldet - allen voran Kalifornien, New York, Illinois und Connecticut.
Jetzt werden dort Pläne geschmiedet, wie man diesen Staaten eine geordnete Insolvenz ermöglichen kann. Ganz so, wie es überschuldete Unternehmen auch können. Die genießen nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts nämlich für eine Zeit lang Schutz vor den Geldforderungen ihrer Gläubiger, um wieder auf die Beine zu kommen. Mit den Gläubigern wird zugleich eine deutliche Reduzierung der Forderungen vereinbart, damit das Unternehmen die verbleibende Schuldenlast tragen kann.
Noch gibt es kein konkretes Vorhaben, etwas Ähnliches auch auf Bundesstaaten anzuwenden. Doch wie die New York Times meldete, haben mehrere Senatoren und Abgeordnete beider Parlamentsparteien das Thema aufgegriffen. Darunter befindet sich auch Newt Gingrich, der als möglicher republikanischer Präsidentschaftskandidat gehandelt wird.
Dass über das Thema nicht allzu laut geredet wird, ist nicht verwunderlich. Denn immerhin könnte es dann sein, dass all diejenigen, die ihr Geld in Anleihen etwa von Kalifornien oder New York angelegt hatten, auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen. Die Sorge, dass die Bundesstaatsanleihen doch nicht so sicher wie angenommen sind, dürfte die Zinsen und damit die Finanzierungskosten der Staaten erhöhen.
Und es gibt weitere Leidtragende: die staatlichen Angestellten, deren Pensionen drastisch gekürzt werden dürften. Allein schon die Androhung eines entsprechenden Gesetzes, das ein Insolvenzverfahren für Bundesstaaten zulassen würde, dürfte die Verhandlungsmacht der Landesregierungen gegenüber den Gewerkschaften der öffentlichen Angestellten enorm steigern.
Auch in Europa ist die Debatte über eine mögliche Staatsinsolvenz noch keineswegs beendet. Einer, der dazu gar keine Alternative sieht, ist der US-Ökonom Barry Eichengreen. Denn die Hilfskredite häufen nur immer mehr Schulden auf den vorhandenen Schuldenberg. Aus dieser Situation gebe es nur zwei Auswege: Die finanzkräftigeren Euroländer müssten die schwächeren dauerhaft und günstig mitfinanzieren. Da dabei insbesondere die Bundesrepublik Deutschland wohl nicht mitspielen mag, wäre Plan B eine Staatsinsolvenz - mit einem anschließenden Schuldenschnitt. Eine Art europäisches "Kapitel 11" eben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts