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Schuldenkrise in GriechenlandDer IWF ist raus

Der Internationale Währungsfonds zieht seine Mitarbeiter in Brüssel ab. EU-Rat und Bundesbank erhöhen verbal den Druck auf Griechenland.

In Athen wird über die Wiederöffnung des TV-Senders ERT gejubelt. Foto: reuters

Brüssel ap/rtr | Im Schuldenstreit mit Griechenland verschärft der Internationale Währungsfonds die Gangart. Die Unterhändler in Brüssel würden abgezogen und nach Washington zurückbeordert, kündigte ein IWF-Sprecher an. In den meisten strittigen Punkten seien Differenzen bisher nicht überbrückt worden. EU-Ratspräsident Donald Tusk und Bundesbankchef Jens Weidmann erhöhten verbal den Druck auf Athen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, dass die Gespräche zwischen den Geldgebern und Griechenland rasch wieder aufgenommen würden. „Die Verhandlungen werden zunächst auf technischer Ebene wieder starten, dann auf politischer“, sagte Juncker am Freitag dem Radiosender France Culture. „Eine Vereinbarung in den kommenden Tagen ist notwendig. Der Ball liegt im griechischen Spielfeld.“

Griechenlands Gläubiger – der IWF, EU und EZB – wollen die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras auf neue Wirtschaftsreformen verpflichten, ehe die letzte Hilfstranche von 7,2 Milliarden Euro fließen soll. Athen braucht das Geld für die Rückzahlung seiner zum Monatsende fälligen Schulden von insgesamt 1,6 Milliarden Euro an den IWF. Gelingt das nicht, droht ein Staatsbankrott und im äußersten Fall das Ausscheiden aus dem Euro. Denn das Hilfsprogramm für Griechenland läuft Ende Juni aus.

Allerdings gehen die Athen die Reformforderungen der Gläubiger zu weit und den Geldgebern reichen die bisher von Tsipras‘ Regierung angebotenen Maßnahmen nicht aus.

EU-Ratspräsident Tusk drängte Griechenland zur Eile. „Es ist keine Zeit für Glücksspiele“, sagte er. „Die griechische Regierung muss, denke ich, etwas realistischer sein.“ Schon das für nächste Woche anberaumte Treffen der 19 Finanzminister der Eurozone in Luxemburg könnte zur Schicksalssitzung für Athen werden, fügte Tusk warnend hinzu. Die Finanzmärkte reagierten nervös auf die Äußerungen, es kam zu massiven Kursverlusten.

Angesichts der ungewissen Folgen eines griechischen Euroaustritts für Europa und die globalen Finanzmärkte ließ der IWF indes durchblicken, den Gesprächsfaden nicht vollends abreißen lassen zu wollen. „Wir sind weiter engagiert“, erklärte IWF-Sprecher Gerry Rice am Donnerstag. „Der IWF verlässt den Tisch nicht.“

Renten, Löhne, Steuerreform

Dennoch sehe der Währungsfonds nun vor allem Athen in der Pflicht. „Ohne Reformen ist es für Griechenland nicht möglich, die Ziele zu erreichen“, sagte Rice. Das gelte vor allem bei der Rentenpolitik, die neben Arbeitsmarktregeln als größter Zankapfel im Schuldenstreit gilt.

Renten und Löhne machten 80 Prozent der griechischen Primärausgaben aus, führte Rice aus. Für Renten gebe das Land einen Betrag aus, der zehn Prozent seiner Wirtschaftsleistung entspricht. Zum Vergleich: In der gesamten Eurozone beliefen sich die Ausgaben dafür auf durchschnittlich 2,5 Prozent, sagte Rice.

Griechenland müsse zudem eine Reform des Steuersystems anpacken. Das Land weise in Europa die größte Lücke zwischen fälligen und eingezogenen Umsatzsteuern auf. Dies liege daran, dass das System so komplex sei, sagte Rice. Eine Vereinfachung des Systems könnte die Steuereinnahmen um ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen.

Bundesbankchef Weidmann sprach im Schuldenstreit von einem Wettlauf gegen die Zeit. Das Risiko einer Zahlungsfähigkeit steige mit jedem Tag, sagte er in London. Die größten Verlierer bei einem solchen Szenario wäre Griechenland und das griechische Volk.

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20 Kommentare

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  • wieso kriege ich hier und in anderen Zeitungen eigentlich immer nur die Position der Gläubiger zu lesen, und muss mir die griechische Position auf Twitter nachlesen?

  • Es werden hier Fehler auf allen Seiten gemacht, bei der EU, der griechischen Regierung, IWF ....

     

    Jeder wusste doch das Gr die Schulden nie wird zurückzahlen können. Das hier nur Bankkredite großer int Banken getilgt werden sollen...

     

    Wie es dem einfachen Griechen geht interessiert doch niemand. Ebenso wie in Deutschland H4, die vielen arbeitslosen spansiche Jugendlichen...usw Man kann diese Liste endlos fortsetzen. Griechenland wird zum Pulverfass....

     

    Ich verzweifel an der Menschheit. traurig traurig.

     

    Wo ist das "WIR" geblieben ??

  • Schauen wir uns doch an was Tsipras in Griechenland real macht:

    - Erlass von Steuerschulden fuer Reiche

    (http://www.handelsblatt.com/politik/international/griechenland-scharfe-kritik-an-athener-steuerplaenen/11539706.html)

    - Steueramnestie fuer reiche Steuerhinterzieher geplant ( http://www.wiwo.de/politik/europa/griechenland-regierung-kuendigt-steueramnestie-an/11702524.html)

    Diese Regierung setzt die korrupte Politik ihrer Vorgaenger Pasok und ND nahtlos fort.

    "Reformbestrebungen" sind Fehlanzeige.

    • @naemberch:

      Hier ein sehr plastischer Grund für die Amnestie, und weitere Klarstellungen: http://www.tagesspiegel.de/politik/yanis-varoufakis-im-interview-wir-haben-rote-linien-ueberschritten/11887860.html

       

      Kommt Ihnen das nicht komisch vor, der Syriza-Regierung nach vier Monaten Amtszeit Vorwürfe zu machen, sie würden keine Reformen hinbekommen? Nachdem die Troika VIER JAHRE LANG der Griechischen Regierung ihre Politik diktiert hat. Wer hat hier versagt?? Die Syriza-Regierung bringt doch wenigstens etwas zustande jetzt, auch wenn das vielen nicht reicht. Aber es ist in Sachen Steuerhinterziehung offensichtlich immer noch mehr, als die Troika + Pasok in vier Jahren geschafft hat. Da wurde nur schön privatisiert, Unis geschlossen und das Gesundheitssystem zusammengestrichen.

      • @Yanis:

        Ihnen scheinen die Reformen der 4 Monate entgangen zu sein:

        - Steueramnestie fuer Steuersuender

        - geplante Amnestie fuer Steuerhinderzieher

        Und darum geht es hier.

        • @naemberch:

          Danke für den Hinweis, Sie haben das ja in Ihrem vorherigen Post geschrieben.

          Haben Sie den Artikel gelesen, den ich Ihnen verlinkt habe? Da erklärt er doch, warum die EINTREIBUNG der Steuerhinterziehung zurzeit praktisch nicht möglich ist. Lagarde-Datei hin oder her - Sie scheinen sich das so vorzustellen, dass die Griechen nur auf einen Knopf drücken müssten und schon seien die hinterzogenen Steuern wieder da. Varoufakis macht doch unmissverständlich klar, dass das langjährige Prozesse wären, die den Griechen jetzt wo das Geld gebraucht wird nur zusätzliche Kosten bescheren.

    • @naemberch:

      Über das, was Tsipras da macht, kann man sich natürlich als wohldressierter "Pleite-Griechen-Verachter" tierisch aufregen - nur gibt es da ein prominentes Vorbild: Die mustergültige Bundesrepublik Deutschland hat 2003 aus lauter Verzweiflung über die nicht mehr überschaubare Steuerflucht mit einem "Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit" eine befristete Amnestie und einen"Rabatt" für neu deklarierte Schwarzgelder erlassen.

       

      Wollen Sie den Griechen wirklich Korruption vorwerfen, weil sie dem deutschen Beispiel gefolgt sind?

      (http://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_zur_F%C3%B6rderung_der_Steuerehrlichkeit)

      • @Bitbändiger:

        Das war aaus meiner Sicht auch nicht zu rechtfertigen.

        Allerdings haben sich die Zeichen geaendert: jetzt werden die Steuerdaten ausgetauscht und das Geld kann eingetrieben werden.

        • @naemberch:

          Haben Sie andeutungsweise eine Vorstellung, wie lange es braucht, aus einer absolut chaotischen Steuerverwaltung eine moderne, IT-gestützte und vernetzte zu machen? Zumal Steuerrecht natürlich länderspezifisch ist und folglich eine individuell zu entwickelnde Software benötigt?

          • @Bitbändiger:

            Es geht um Amnestie fuer bestehende Steuerschulden.

            Das hat mit dem Aufbau einer Steuerverwaltung nichts zu tun.

            • @naemberch:

              Aber sicher hat das miteinander zu tun! Wenn man die Peitsche zum Eintreiben (noch) nicht hat, bleibt einem - genau wie damals Deutschland - nur das "Zuckerbrot".

    • @naemberch:

      Na ja. Eigentlich sollte ja die EU beim Eintreiben von ins Ausland geschleppten Steuergeldern helfen. Nachdem das von vorn herein ausgeschlossen wurde, bleibt der Regierung nichts anderes übrig, als (vergeblich) zu locken. Das Geld befindet sich nun mal nicht im Zugriffsbereich der griechischen Regierung...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Die Steuerhinterzieher sind bekannt: Steuerdatei von Lagarde und werden wie unter der Vorgaengerregierung Samaras nicht eingetrieben.

        Das Geld ist im griechischen Zugriffsbereich.

        Aber es werden die gleichen Seilschaften wie unter ND und Pasok gepflegt.

        • @naemberch:

          Das Problem ist, dass die wirklich reichen Griechen ihr Geld längst außer Landes geschafft haben. Hier wäre Hilfe der EU nötig. Aber wo kämen wir denn hin, wenn in der EU die Reichen geschröpft werden? Da verlangt man doch lieber, dass den Leuten mit einer niedrigen Rente noch etwas weggenommen wird. Und das ist auch die übliche Verfahrensweise des IWF.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Genau dafuer gibt es die Lagarde Steuersuenderdatei. Das Geld ist eintreibbar: Steuerhinterziehung ist ein Straftatbestand und es gibt ein Rechtshilfeabkommen von Griechenland mit der Schweiz.

            Aber diese Regierung schuetzt ihr Klientel genauso wie alle Vorgaengerrergierungen.

  • Meines Wissens gehen die Forderungen Athen nicht zu weit, man hat eher andere Ansätze wie man einen Staat dazu befähigen kann, seine Schulden zurückzuzahlen. Eher noch könnte man sagen dass der EU(Deutschland) die Reformbestrebungen zu weit gehen, da beispielsweise Varoufakis Reformen ins Spiel bringen wollte die die Finanzstruktur der Union verbessern sollten.

    • @Jason Schiffer:

      Wovon traeumen Sie eigentlich ?

      Varoufakis: „Was auch immer Deutschland tut oder sagt, es zahlt sowieso“.

      Das ganze Procedere seit 4 Monaten ist ein beispielloser Erpressungsversuch der EU, wobei Deutschland die Hauptlast traegt.

      • @naemberch:

        Eigentlich ist es andersherum. Deutschland profitiert als einziges großes EU-Land derzeit von sehr unausgewogenen Mechanismen, mit denen man die Eurozone versehen hat und tut jetzt so, als könne man angesichts einer auf dem Spiel stehenden gemeinsamen Währung jede Land einzeln "behandeln", indem man seine Sozialsysteme zugrunde richtet, seine Arbeitnehmerrechte abschafft und es sein Staatseigentum verkaufen lässt. Denn das schafft bei "den Märkten" Vertrauen. Und wie wir wissen, sind Menschen an den Märkten wichtiger, als Menschen in den Suppenküchen.

        • @Max Mutzke:

          Haben Sie eigentlich mitbekommen was Tsipras in den 4 Monaten gemacht hat:

          - Steueramnestie fuer Steuersuender

          - Nepotismus bei der Wiedereinfuehrung des Rundfunks

          - geplante Steueramnestie fuer Steuerhinterzieher.

          Und das wird von den Armen und Arbeitnehmern finanziert.

          Das warenkeine deutschen Forderungen.

      • @naemberch:

        Yip - so ist es. Diese Komiker haben Verprechungen gemacht die niemals zu halten waren - und dass wussten die. Die haben nur nicht damit gerechnet an die Macht zu kommen.

        Aus der Opposition - wie auch hier in Deutschland und sonst wo, sehe unsere "Die Linke" - kann man alles fordern - liefern müssen dann aber die anderen.

        Erbärmlich.