Schuldenerleichterungen für arme Länder: Afrika droht schwere Krise
G20-Staaten haben sich auf Schuldenerleichterungen für die ärmsten Länder geeinigt. Entwicklungsorganisationen halten das aber für unzureichend.
Die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) haben den 77 besonders armen Staaten dieser Welt eine Aufschiebung sämtliche ihrer Zins- und Tilgungszahlungen zugestanden. Die sieben führenden Industriestaaten (G7) hatten bereits am Dienstag beschlossen, Schuldenerleichterungen mitzutragen. Bei den G20-Beratungen war unklar, ob China und Russland diesen Plänen zustimmen würde.
Die Stundung gilt von Mai bis zunächst zum Jahresende. Die betroffenen Staaten sollen auf diese Weise mehr Spielraum erhalten, um im Zuge der Corona-Krise ihre Gesundheitssysteme mit zusätzlichen Mitteln auszustatten. Nach Angaben von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CDU) geht es bei dieser Stundung zunächst um ein Volumen von rund 14 Milliarden US-Dollar.
Kristalina Georgiewa Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) und Weltbank-Präsident David Malpass begrüßten in einer gemeinsamen Erklärung das Vorhaben. Die Initiative werde viel bewirken, um das Leben und die Existenzgrundlage von Millionen der am meisten verwundbaren Menschen zu sichern. „Wir haben uns für diese Schulden-Initiative eingesetzt und wir sind entschlossen, alle möglichen Schritte zu unternehmen, um die Armen zu unterstützen“, heißt es in der gemeinsamen IWF-Weltbank-Erklärung.
IWF: Beispiellose Krise
Beide Institutionen treffen sich momentan zu ihrer jährlichen gemeinsamen Frühjahrstagung. Sie findet ebenso wie die die G20-Verhandlungen wegen der Kontaktsperren im Zuge der Coronavirusausbreitung per Onlineschaltung statt. Der IWF hat ebenfalls angekündigt, für sechs Monate auf Schuldendienstzahlungen der 25 ärmsten Länder zu verzichten. Die G20-Finanzminister fordern nun auch private Gläubiger auf, sich dem Vorhaben anzuschließen.
Dem IWF zufolge stehen vor allem die Länder Afrikas vor einer beispiellosen Gesundheits- und Wirtschaftskrise. In seinem aktuellen Ausblick für Afrika geht der IWF davon aus, dass die Wirtschaft auf dem Kontinent in diesem Jahr um 1,6 Prozent schrumpfen wird. Das wäre das größte Minuswachstum, das jemals in Afrika verzeichnet wurde. Das Pro-Kopf-Einkommen werde um 3,9 Prozent sinken. Der Rückgang des verfügbaren Geldes und die Folgen der Corona-Bekämpfung bedrohten die Lebensgrundlagen unzähliger Menschen in Afrika, warnte der Afrika-Direktor des IWF, Abebe Aemro Selassie.
Schuldenerlass gefordert
Die Regierungen müssten deshalb einerseits massiv in die Gesundheitssysteme investieren, zugleich aber Transferleistungen für die Ärmsten bereitstellen. Dies könne in Form von Bargeld oder Hilfsgütern geschehen. Die meisten afrikanischen Länder bräuchten aber Zugang zu Finanzierungen durch die internationale Gemeinschaft, um diese Leistungen erbringen zu können, betonte Selassie. Weltweit haben insgesamt 102 Länder den IWF um Hilfe gebeten.
Entwicklungsorganisationen begrüßten die Schritte, nannten sie aber unzureichend. Sie fordern einen umfassenden Schuldenerlass.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid