Schuld und Sühne nach Dieselgate: VW soll auch in Europa zahlen
Nach seinen Abgasmanipulationen soll Volkswagen auch in Europa Schadenersatz zahlen. Doch hier ist das Prozedere komplizierter als in den USA.

Die EU-Kommissarin Vera Jourova möchte VW wegen zahlreicher Verbraucherschutzdelikte bestrafen Foto: dpa
BRÜSSEL taz | Bisher hatte Volkswagen aus Brüssel wenig zu fürchten. Die EU-Kommission ließ sich so viel Zeit mit der Aufklärung des VW-Dieselskandals, dass das Europaparlament schließlich entnervt einen Untersuchungsausschuss einsetzte. Auch dort kam bisher nicht viel ans Tageslicht. Doch nun erhöht die EU den Druck.
Bis Ende des Monats wolle sie ihre Ermittlungen zu „Dieselgate“ abschließen, sagte Verbraucher-Kommissarin Věra Jourová am Montag. Schon jetzt sei klar, dass VW in mindestens 20 der 28 EU-Länder gegen Verbraucherschutzgesetze verstoßen habe. Dies müsse Konsequenzen haben, forderte Jourová.
Zwar will sie sich nicht auf milliardenschwere Entschädigungen festlegen, wie sie VW in den USA zahlen muss. „In der EU ist das komplizierter als in den USA“, so Jourová. Denn es gibt keine europaweiten Sammelklagen, um Strafen zu erzwingen. „Wir können aber auch nicht so tun, als wenn nichts passiert wäre.“
Geplant ist ein koordiniertes Vorgehen von Verbraucherschützern und EU-Staaten. Danach könnte es doch noch zu Klagen kommen – und zu Milliardenstrafen für den größten Automobilhersteller. Als Hebel sollen dabei zwei EU-Richtlinien zum Verbrauchsgüterkauf und zum Kampf gegen unlautere Geschäftspraktiken dienen.
Die Verfahren einleiten sollen allerdings die Verbraucherverbände – und nicht die EU-Kommission in Brüssel. Auf Nachfragen, warum sie nicht auch selbst tätig werde und mit Vertragsverletzungs-Verfahren gegen jene EU-Länder nachhelfe, die gegenüber VW beide Augen zudrücken, wich Jourová aus. Denn dann müsste sie sich auch mit Deutschland anlegen. Das Heimatland des VW-Konzerns geht nämlich sehr verständnisvoll mit Dieselgate um. Bisher will nur Bayern klagen – allerdings nur auf Schadenersatz wegen der Kursverluste der VW-Aktie, nicht wegen des mutmaßlichen Betrugs an den VW-Kunden.
VW hatte vor einem Jahr eingeräumt, weltweit in rund 11 Millionen Dieselfahrzeugen eine illegale Software eingesetzt zu haben. Diese drückt den Schadstoffausstoß bei Emissionstests. In den USA kostet die Beilegung des Skandals Volkswagen mehr als 15 Milliarden Dollar. In der EU bislang nichts. Sie werde keine „scharfen Maßnahmen“ ergreifen, ohne vorher mit VW zu kommunizieren, versicherte Jourová. „Ich möchte, dass sie sich die gültige Rechtslage anschauen und prüfen, was sie tun müssen.“
Auch im Europaparlament wächst der Druck auf VW. Dort mussten am Montag die einstigen EU-Kommissare Antonio Tajani und Janez Potočnik Rede und Antwort stehen. „Obwohl er 2012 von einem Zulieferer über den möglichen Einsatz von Betrugssoftware informiert wurde, hat er keine konkreten Hinweise oder Handlungsaufforderungen an die Mitgliedstaaten weitergegeben“, kritisiert Ismail Ertug, Verkehrsexperte der Sozialdemokraten, Tajani. Für diese „Unterlassung“ gebe es keine Erklärung – bislang.
Leser*innenkommentare
Kubatsch
"Denn es gibt keine europaweiten Sammelklagen, um Strafen zu erzwingen."
Ich glaube die amerikanischen Lobbyisten wollten der amerikanisch ansäßigen Autoindustrie unter die Arme greifen deswegen die krasse bürokratische Geschwindigkeit seitens Amerika.
Oder war GeneralMotors auch betroffen?