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Schulbau in BerlinWenig in Gemeinschaft investiert

Die Gemeinschaftsschule ist ein viel gelobtes Projekt. Doch der Ausbau stockt. Kaum ein Bauprojekt ist finanziert, zeigt eine Linken-Anfrage.

Blick in eine der bekannteren Gemeinschaftsschulen Berlin: Der Rütli-Campus in Neukölln Foto: picture alliance / dpa | Maja Hitij

Berlin taz | Die Gemeinschaftsschule ist ein viel gelobtes Projekt in der rot-grün-roten Koalition. Wie auch schon die Vorgängerregierung möchte man diese Schulform, bei der alle Kinder von der ersten Klasse bis bestenfalls zum Abitur gemeinsam lernen, gerne ausbauen. So ist es im Koalitionsvertrag festgehalten. Nicht ohne Grund: Wissenschaftliche Begleitstudien zeigen, dass benachteiligte Kinder hier am besten lernen. Chancengerechtigkeit ist ein Thema, mit dem sich gerade die SPD, die seit vielen Jahren das Bildungsressort verantwortet, gerne schmückt. Doch trotz aller politischen Willensbekundungen entstehen kaum neue Gemeinschaftsschulen in Berlin, wie jetzt eine noch unveröffentlichte Linken-Anfrage an die Bildungsverwaltung zeigt.

Erst 2026, wenn der Baubeginn denn pünktlich erfolgt, soll die nächste neue Gemeinschaftsschule fertig sein: Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge sitzt derzeit an den Vorplanungen für rund 1.300 Schulplätze in Adlershof. Zwar sind laut Senatsverwaltung insgesamt 12 Neubauvorhaben und acht Fusionierungen von Grund- und Sekundarschulen zu Gemeinschaftsschulen geplant, was rund 16.300 Schulplätze entspräche. Doch nur fünf dieser Maßnahmen sind überhaupt mit einem Budget in der Investitionsplanung bis 2026 versehen. Das bedeutet, dass sich bei 15 Bauvorhaben noch viele Jahre lang kein einziger Baukran drehen wird.

Rund 26 Gemeinschaftsschulen gibt es bisher in Berlin, seit Jahren stagniert diese Zahl. „Wir treten bei der Gemeinschaftsschule auf der Stelle“, sagt die bildungspolitische Sprecherin der Linken, Franziska Brychy. Sie vermisst auch ein ebenfalls im Koalitionsvertrag vereinbartes Förderkonzept seitens der Bildungsverwaltung. Vor allem aber sollen die Bezirke aus ihrer Sicht begründen müssen, wenn sie statt Gemeinschaftsschulen lieber Grundschulen und Oberschulen separat neu bauen.

Aus Sicht der Bezirke geschieht das häufig aus Platz- und Kostengründen. Grundschulen sind kleiner, die Klassenstärken sind geringer. Regina Kittler, bildungspolitische Sprecherin der Linken in Marzahn-Hellersdorf, sagte deshalb am Montagabend auf einer Diskussionsveranstaltung zur Gemeinschaftsschule an die Adresse ihrer Kol­le­g*in­nen auf Landesebene: „Wir brauchen zwei verschiedene Standard-Typenbauten für Gemeinschaftsschulen, eine davon auch für Flächen, wo es nicht viel Platz gibt. Dafür müsst ihr euch im Abgeordnetenhaus einsetzen.“

Lieber gleich aufs Gymnasium

Kittler kritisierte außerdem, dass es in ihrem Bezirk keine einzige Gemeinschaftsschule gebe, bei der man auch das Abitur machen kann. Nach der 10. Klasse ist Schluss. „Da sagen viele Eltern nach der 6. Klasse in der Grundstufe, dann schicke ich mein Kind doch lieber gleich aufs Gymnasium.“ Es brauche ein verbindliches Förderkonzept für die Gemeinschaftsschule vom Senat, das auch Oberstufen vorschreibt – und dafür müsste es endlich einen Ansprechpartner in der Bildungsverwaltung geben. Die Stelle für Gemeinschaftsschulen ist vakant.

Bei vielen Gemeinschaftsschulen sind zudem Grundschulteil und weiterführende Schule räumlich getrennt. „Es fehlen Campuslösungen“, sagt deshalb auch Jana Oestreich, Gesamtelternvertreterin an der Sophie-Brahe-Gemeinschaftsschule in Treptow-Köpenick und Mitglied im Berliner Elternnetzwerk Gemeinschaftsschule. Rund zwei Drittel der Kinder, schätzt sie, gingen nach der Grundschule woanders hin. „Da fehlt der Klebeeffekt, die Gemeinschaft ist nicht greifbar.“ Aus Elternsicht, sagt Oestreich, sei unter Rot-Grün-Rot „nicht viel passiert“ in Sachen Gemeinschaftsschule.

Das findet – aus Schulleiter-Perspektive – auch Robert Giese. Der Schulleiter der Neuköllner Fritz-Karsen-Gemeinschaftsschule und Vorsitzender des Berliner Verbands für Schulen des gemeinsamen Lernens, sagt: „Das ist vielleicht eine 4, was der Senat da bisher geschafft hat. Es ist nicht erkennbar, wie es weitergehen soll.“

Giese sagt, an den Gemeinschaftsschulen lernten „doppelt so viele Migranten, dreimal so viele arme Kinder, zehnmal so viele mit Förderbedarf“ wie an anderen Schulformen. Das seien große Herausforderungen, auch für die Lehrkräfte. Zugleich habe die Begleitstudie bei der Einführung der Gemeinschaftsschule vor einigen Jahren in Berlin gezeigt, dass sich hier Herkunft und Bildungserfolg am besten entkoppelten. „Die Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule hatte vor kurzem berlinweit den besten Abiturschnitt aller Schulen“, sagt Giese.

Trotz der Herausforderungen an die Schulform ist die Personalausstattung oft schlecht. In Marzahn-Hellersdorf liege sie bei „70 bis 90 Prozent“, weiß Kittler. An der Macana-Gemeinschaftsschule, wo auch die Schulleitung vakant ist, seien nur 76 Prozent der Lehrerstellen besetzt. Nur 34 Prozent hätten eine abgeschlossene Lehramtsausbildung. Am besten gehe es der Gretel-Bergmann-Gemeinschaftsschule mit 91 Prozent Personalausstattung – und immerhin 63 Prozent voll ausgebildeter Lehrkräfte. Kittler resümiert: „Ich habe den Eindruck, die Gemeinschaftsschule ist nicht gewollt.“

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