Schul-Corona-Ausbruch in der Analyse: Eine Quelle, 25 Infektionen

Ein Gen-Abgleich belegt, dass sich an der Hamburger Heinrich-Hertz-Schule Personen ansteckten. Das bringt Schulsenator Ties Rabe in die Bredouille.

Junge Frau mit Maske öffnet ein Fenster

Nach dem Ausbruch wurde an der Heinrich-Hertz-Schule regelmäßies Lüften zur Pflicht Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

HAMBURG taz | Schulsenator Ties Rabe (SPD) steht wegen Corona in der Kritik. Über Weihnachten wurde bekannt, dass eine schulinterne Ansteckung mit dem Virus an der Heinrich-Hertz-Schule (HHS) im September durch Gen-Sequenzierungen belegt ist. Virus-Proben von 25 Personen hatten den gleichen Stamm. „Übertragungen/Infektionen haben an der Schule stattgefunden“, heißt es in der Antwort der Gesundheitsbehörde auf eine taz-Anfrage vom 22. Dezember, die wortgleich über „Frag-den-Staat“ publik wurde.

Ties Rabe hatte stets betont, es sei die Ausnahme, dass sich Schüler an Schulen infizierten. So hatte er am 19. November eine Auswertung der 372 zwischen Sommer- und Herbstferien Infizierten vorgelegt, wonach sich 78 Prozent höchst wahrscheinlich außerhalb der Schule angesteckt hätten. Grundlage waren Analysen seiner Behörde. Rabe kündigte an, seine Daten für eine neue Studie den Kultusministern zu überlassen. Doch die Gen-Analysen, die das Heinrich-Pette-Institut und die Uniklinik Eppendorf (UKE) im Auftrag des Gesundheitsamts Nord durchgeführt hatten, erwähnte er damals nicht.

Dabei war der Schreck groß, als Anfang September 34 Schüler und mehrere Lehrkräfte an der HHS positiv getestet wurden, handelte es sich doch um den ersten Ausbruch an einer Schule. Es war Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD), die am 8. September vor der Landespressekonferenz die Gen-Sequentierung ankündigte. „Wir untersuchen gerade den Vorfall“, sagte sie. „Gegenwärtig sieht es nicht so aus, als hätten sich Schüler untereinander angesteckt, sondern mehr so, als seien Schüler durch ein pädagogisches Personal angesteckt worden, womöglich. Wir gehen dem gezielt nach.“

Auch Rabe gab eine Pressemitteilung heraus, in der er einräumte, an dieser Schule sei die Krankheit vermutlich übertragen worden, der Umfang werde „gegenwärtig ermittelt“. Die HHS war die erste Schule, in der Maskenpflicht im Unterricht galt und 20-minütiges Lüften.

Bezirksamt Nord irritiert mit anderer Antwort

Über die Sache schien Gras zu wachsen. Laut Gesundheitsamt war der Ausbruch nach 14 Tagen vorbei. Bis „Zeit Online“ kürzlich berichtete, Hamburg halte hier wichtige Erkenntnisse zurück. Forscher an der Uniklinik hätten Gen-Analysen durchgeführt. Doch die seien „unter Verschluss“.

Die taz nahm dies zum Anlass, bei der Gesundheitsbehörde nachzufragen. Und siehe da: Ergebnisse gibt es schon. Ihr Sprecher Martin Helfrich schreibt, das Heinrich-Pette-Institut und das UKE hätten im September mit dem Gesundheitsamt Nord den Ausbruch an der HHS untersucht und folgende Erkenntnis: „Infektionen/Übertragungen haben in der Schule stattgefunden.“ Denn von den verwertbaren Proben sei „eine hohe Anzahl von identischen Genomsequenzen identifiziert worden“. Die Mehrzahl der Übertragungen gehe „höchstwahrscheinlich auf eine einzige Infektionsquelle“ zurück.

Etwas irritierend antwortet aber das auch von der taz angeschriebene Bezirksamt Nord. Auf die Frage, ob es an der HHS Infektionen von Person zu Person gab, sagt Sprecher Jan-Peter Uentz-Kahn: „Dies kann wissenschaftlich gesehen bisher nicht ausgeschlossen, aber auch nicht eindeutig bestätigt werden.“ Bei den in 15 Laboren genommenen Proben lägen nicht in allen Fällen verwertbare Sequenzen vor. Auch fehlten noch Hintergrundinformationen zur Nachbereitung. Hierbei seien jedoch „datenschutzrechtliche Aspekte zu berücksichtigen“.

Gefragt, ob sich hier nicht Bezirk und Fachbehörde widersprechen, antwortet Uentz-Kahn: „Auch aus Sicht des Bezirksamtes ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit zu sehen, dass es zu Übertragungen an der Schule gekommen ist.“ Allerdings könne kein „zweifelsfreier Nachweis“ geführt werden, da Proben von „Schlüsselpersonen“ fehlten und auch die Frage nicht zu beantworten sei, welche Personen sich außerhalb der Schule getroffen und infiziert haben könnten.

Das Statement der Behörde löste in sozialen Netzen Entrüstung aus. Die Linke will in einer Anfrage wissen, ob Ties Rabe das Ergebnis schon am 19. November kannte, als er seine Zahlen vorstellte. Dann hätte er ein gewaltiges Problem.

Gefragt, seit wann die Schulbehörde von dem Ergebnis weiß, erklärt Sprecherin Claudia Pittelkow, die Gesundheitsbehörde habe dies am 22. Dezember zugemailt. Gut vier Wochen zuvor, am 24. November, habe das Gesundheitsamt Nord in einem „Zwischenbericht“ mitgeteilt, dass bei 25 Personen identische Virusstämme gefunden wurden, die Sache aber noch weiter untersucht werde.

Dass sich an der HHS vermutlich Schüler und Beschäftigte auch innerhalb der Schule infiziert haben, sei der Schulbehörde seit September durch das Gesundheitsamt bekannt. Pittelkow: „Das machten wir ja auch in einer Pressemitteilung publik“. Zudem habe die Behörde wiederholt darauf hingewiesen, dass es schulinterne Infektionen gibt.

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