Schüsse auf Eritreer in Hessen: Mordversuch mit Ankündigung
Vor dem Anschlag in Wächtersbach hatte der Schütze die Tat in einer Bar angekündigt. Deren Wirt fällt im Netz mit rechten Aussagen auf.
Aus Berlin meldet sich Peter Tauber, CDU, zu Wort, der diesen Wahlkreis im Bundestag vertritt; der Verteidigungsstaatssekretär sagt der taz am Rande der Vereidigung seiner neuen Ministerin: „Mich nimmt das auch persönlich mit, weil es in meiner Heimatstadt passiert ist“, und fügt hinzu: „Wer jetzt noch leugnet, dass unsere Demokratie und Freiheit angegriffen wird, versündigt sich.“
In der Nachbarschaft des Tatorts in der Wächtersbacher Industriestraße, zwischen Bahndamm und Autobahn, befindet sich eine Fort- und Weiterbildungseinrichtung. Sie bietet unter anderem Deutschkurse für Ausländer an. Hier ging der junge Mann, der am Montag niedergeschossen wurde, ein und aus. Was in den übrigen Besuchern dieser Einrichtung vorgeht, wenn sie am Tatort vorbeigehen, wollen sie nicht sagen.
Ein ganz normaler Kneipenspruch?
Ein anderer gibt dagegen gerne Auskunft. Dirk R., der Wirt des „Martinsecks“ in Kassel, einem Stadtteil von Biebergemünd. Er hat dem Hessischen Fernsehen erzählt, der mutmaßliche Täter sei vor dem Mordanschlag gegen 11 Uhr vorbeigekommen und habe „ganz normal seine zwei, drei Bier getrunken“. Er werde einen „Flüchtling abknallen“, habe der Gast geprahlt, aber niemand habe ihm geglaubt: „Ich denke, das ist ein ganz normaler Kneipenspruch, das hat keiner für Ernst genommen“, erklärte Dirk R. im TV.
Ein normaler Kneipenspruch? Im Martinseck gehören solche Sprüche offenbar zum Alltag. Auf Facebook hat der Wirt mehrfach gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung polemisiert.
Nach der Tat sucht Roland K. das Martinseck erneut auf. Wieder stößt er Drohungen gegen Ausländer aus. Wenig später richtet er sich 300 Meter von der Kneipe entfernt mit einer Pistole selbst.
Musste der Wirt die Drohungen ernst nehmen? Hätte die Tat vielleicht verhindert werden können, wenn die Polizei früher alarmiert worden wäre? Roland K.s Nachbar Andreas Büchner schilderte den Attentäter Medien gegenüber Medien als „durchgeknallt“ und berichtete von „Gewaltfantasien“. Roland K. war Mitglied im Schützenverein und besaß ein halbes Dutzend Waffen.
Die taz hat bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft nachgefragt, ob der Wirt des Martinsecks inzwischen vernommen wurde oder gegen ihn ermittelt wird, weil er die Drohungen vor der Tat ignoriert hatte. „Aus ermittlungstaktischen Gründen erteilen wir dazu keine Auskunft“, erklärte die Behörde am Mittwoch.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Bundestagswahl für Deutsche im Ausland
Die Wahl muss wohl nicht wiederholt werden
Trump, Putin und Europa
Dies ist unser Krieg