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Scholz und Esken auf dem SPD-ParteitagAbschied in Watte

Ex-Kanzler Scholz und Ex-Parteichefin Esken ermutigen die Sozialdemokraten beim Parteitag zu Selbstbewusstsein. Zweifel lassen sie in ihren Reden aus.

Olaf Scholz verspricht zum Abschied ein Ex-Kanzler zu sein, über den sich die SPD freut Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | „Danke, liebe Saskia“ steht auf der Videowand in der Berliner Kongresshalle CityCube. Minutenlang beklatschen die GenossInnen Saskia Esken, die in Lars Klingbeils Personalrochaden einigermaßen unsanft aus dem Karussell befördert wurde.

Eskens Rede war kurz: wenig Programm, viel Gefühl. Sie bedankt sich bei den Jusos, beim Willy-Brandt-Haus, und bei Olaf Scholz. „Du warst mein Kanzler“, sagt sie. Parteichefin sein zu dürfen war „die Ehre meines Lebens“, sagt sie. Sie lobt ihre Nachfolgerin, „die wunderbare Bärbel Bas“.

Esken wurde am Ende zum Teil wie Müllcontainer behandelt, den alls traf, was in der Partei schieflief. Diese Dynamik wurde medial verstärkt. Es dauerte, bis die Parteispitze solidarisch mit Esken umging. So erlaubt sich Esken bei diesem Abtritt in Moll nur bei Klingbeil die dezente Anmerkung, dass man „nicht immer der gleichen Meinung“ war. Das war Kritik, freundlich, in minimaler Dosis, aber unüberhörbar. Ein dunkler Tupfer in einem bonbonfarbenen Bild.

Olaf Scholz war nie ein guter Redner. Er neigt zum Verdrechselten, Technokratischen. Seine Zeit als Kanzler ließ das nicht besser werden. Die Abschiedsrede, die Scholz am Samstagmorgen vor 600 GenossInnen in Berlin hält, ist folglich nicht frei von Gestanztem. Dennoch ist etwas anders als sonst.

Scholz: „Aufbruch mit Grünen und FDP war gut“

Politische Abschiedsreden sind immer ein Rückblick in Watte. Viel Lob, kein Tadel. Scholz sagt, er habe immer „Dienst am Land und der sozialdemokratischen Idee geleistet“ und sich nie gegen die SPD profiliert. Er unterstreicht den Wahlsieg 2021, an den fast niemand geglaubt hatte – nur er und ein paar Sozialdemokraten. Er lobt die Zeitenwende, die Unterstützung der Ukraine, einige Reformen.

„Es war gut, dass wir den Aufbruch mit Grünen und FDP gewagt haben“, sagt er. Kein Wort verliert er über Lindner. Überhaupt ist dieser Auftritt wie Eskens frei von Bitterkeit, auch frei von versteckter. Sein Rückblick auf die Ampel fällt rundweg positiv aus. Zweimal rutscht Scholz vom Perfekt in das Präsens, so als wäre er noch Kanzler, ohne a.D.

Der Kanzler a.D. skizziert, warum es die SPD braucht

Der Schlüsselsatz, der signalisiert, dass Olaf Scholz mit sich im Reinen ist, lautet: „Ich habe vor, ein ehemaliger Kanzler zu werden, auf den die SPD sich immer freut.“ Also ohne Ratschläge, die auch Schläge sein können. Ähnlich dem Modell Helmut Schmidt, der nach 1982 das Thema SPD umkurvte. Das dürfte Lars Klingbeil, der aktuell ramponierte SPD-Chef, gerne hören.

Scholz skizziert, weit prägnanter als Klingbeil am Freitag, wofür es die Sozialdemokratie braucht. Nur sie verbinde Regierungsfähigkeit mit Respekt für jene ohne akademischen Titel, für den Arbeiter bei Amazon. Die SPD werde gebraucht, damit „die Kassiererin auch in 30 Jahren mit 67 Jahren in Rente gehen kann und über ihr Leben sagen kann: Das ist gut gelungen“.

Scholz will Selbstbewusstsein verströmen

Der Parteitag jubelt. Es ist mehr als jene milde Zustimmung, die solche versöhnlichen Retroreden sonst immer mobilisieren. Scholz trifft einen empfindlichen Punkt. Die Sozialdemokratie zweifelt an sich selbst und sucht nach ihrer Daseinsberechtigung. Dass die Kassiererin sich schon heute mit 1.000 Euro Rente ein Leben in Großstädten nicht mehr leisten kann, fällt da eher unter den Tisch.

Die AfD und Putin hätten gemeinsam, dass sie Feinde konstruieren müssten. „Wir sind gegen die Verfeindung der Gesellschaft“, sagt Scholz. Die Rechtspopulisten leben, sagt der Kanzler a. D., von dem Verschwinden der Zukunftshoffnung. Darauf müsse die SPD antworten. Ein Gedanke, warum die Fortschrittskoalition gescheitert ist, fehlt in der Rede. Scholz will nicht Zweifel thematisieren, sondern Selbstbewusstsein verströmen. Seine Rede dient, ohne Arroganz und Breitbeinigkeit vorgetragen, der Selbstvergewisserung. Mehr ist derzeit nicht drin.

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18 Kommentare

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  • Frau Esken ist keine Person, die sich an den Rand drängen lässt, sie hat noch eine Rechnung offen. Man wird von ihr hören. Die Klatsche gegen Klingbeil war nicht hart genug. Er ist gewählt, nur das zählt, allerdings, Rückendeckung sieht anders aus. Scholz hat sich wenigstens selbst gelobt. Änderung: Nur blaue Luft.

  • Sagen wir mal so, wer von Scholz nichts erwartet hat, konnte auch nicht enttäuscht werden.



    Für die Zukunft müssen wir mehr Achtsamkeit, auf die von uns - für uns eingesetzten Abgeordneten aufbringen.



    Wir müssen zeitnah auf die Straßen , soll heißen Demonstrationen organisieren, wenn wir aktuelle Entscheidungen / Entwicklungen in der Politik nicht mehr mittragen wollen. Sonst finden wir uns schneller als uns allen lieb sein kann, in einem deutschen totalitären Staat wieder ! Wir haben zwar über 600 Abgeordnete verschiedenster Parteinamen, aber im Parlament wird immer zusammen abgestimmt. Da gegen die AfD wohl kein Verbotsverfahten eingeleitet wird, sondern wohl erstmal nur eine Kommission gegründet wird, die einige Jahre beraten will, sollten wir echt wachsam sein.

  • Ich habe mir Teile des Parteitags angesehen.



    Es wird weitergehen wie gehabt. Neues tolles Parteiprogramm. Neue Versprechungen. Nächste Station 9.9%. - oder schlimmer.

  • Scholz -der geradezu typische Sozialdemokrat. Büro mit 8 Mitarbeitern auf Staatskosten. Mindestens 8x5000€ monatlich. Wenn der Durschnittsverdiener 1000€ monatlich an Steuern bezahlt braucht es 40 Durschnittsverdiener, um diese Kosten abzudecken.

    Das ist soziale Absicherung. Alles geht - denn Geld kann man Wummsen.

    • @A. Müllermilch:

      Sie könnten auch falsch liegen und in einigen Dingen liegen Sie definitiv falsch: denn wenn die Stellen mit Berufsneueinsteigern besetzt werden, dann stimmt es, es vollzieht sich im Vergleich zu allen Bediensteten des Bundes pp. ein Personalaufwuchs, allerdings handelte es sich um Laufbahnbeamte, die nicht mit B2 oder A14 direkt einsteigen, sondern dorthin befördert werden; geplant sind die Stellen idR zwar so hoch, aber nicht verbrauchte Mittel werden an den Haushalt zurückgeführt. Soweit die geschaffenen Stellen nicht mit Neueinsteigern besetzt werden, werden bereits vorhandene Beamte in B2 oder A14 auf die bei "Scholaf Olz" vorhandenen Dienstposten abgeordnet oder umgesetzt; das verändert die Gesamtstellenzahl des Bundes pp nicht. ... Nur meine Vermutung: die bei "Olz" geschaffenen Stellen werden in der unmittelbaren Bundesverwaltung, zB Ministerien, abgebaut.

      • @Gerhard Krause:

        Es wird sicher eine Behörde aufgebaut, die dafür sorgt, dass Stellen abgebaut werden. Diese Behörde wird immens hohen Personalbestand brauchen. :-))

      • @Gerhard Krause:

        Tja, wenn die Stellen einfach in der Bundesverwaltung abgebaut werden, dann waren die ja wohl überflüssig.



        Wenn man jetzt schon seit Ewigkeiten 40.000 € pro Monat verschwendet hat, ist dies kein Grund, das jetzt weiterzu tun.

  • Hätte sich * Scholz nicht von * Lindner zum Koalitionsbruch und dann von * Merz zu vorgezogenen Neuwahlen drängen lässen, dann wäre JETZT BT-Wahlkampf. In diesem Sommer mit Horror-Temperaturen, faschistisierenden Staats- und Regierungschefs und eskalierenden Krisen.



    Stattdessen haben wir Merz, Reiche, Bär, Dobrindt, Warken, Pistorius & Co. für 4 Jahre an der Backe.



    Scholz ist sogar beim Scheitern noch gescheitert.

    *) hier bitte Adjektive nach Wahl einfügen

    • @B. Iotox:

      Letztere wurden aber von den Wähler:innen so gewählt. Daher ist die Annahme, dass eine spätere BTW ein linkeres Ergebnis gebracht hätte nicht wirklich gegeben. Es hätte auch noch schlimmer kommen können.



      Abgesehen davon, außer Die Linke gibt es im Bundestag keine links-progressive Partei und da diese noch nicht mal 10% erreicht hat, sollte Ihnen das viel über den Zeitgeist und die politische Ausrichtung der meisten Bürger innen sagen. 🤷‍♂️

      • @Okti:

        Falsch !



        Die jetzigen Minister wurden von den, durch die Bürger legitimierten Abgeordneten gewählt beziehungsweise berufen.

    • @B. Iotox:

      Scholz hat sich nicht von Lindner zum Koalitionsbruch drängen lassen. Ganz im Gegenteil. Er hat Linders Koalitionsbruch über Jahre geduldet.

      • @pumble:

        Wenn Sie das so herum brauchen, von mir aus. Dann also "Wenn * Scholz * Lindners Koalitionsbruch noch weiter geduldet hätte"

  • Olaf Scholz, Meister der Verdrängung



    Ob geplatzte Koalition oder CumEx, Olaf Scholz ist ein Meister der Verdrängung. Was ihm nicht passt, das gibt es einfach nicht.



    Herr Scholz, Sie waren einer der schlechtesten, oder gar schlechtester Bundeskanzler überhaupt. So denkt die Mehrheit des Volkes, Sie natürlich nicht.

    • @Hans Dampf:

      Scholz hat aber gute Chancen, demnächst nur noch der zweitschlechteste Kanzler zu sein. Der aktuelle Kandidat gibt richtig Gas und kann bei Gelingen seiner aktuellen Politik diesen zweifelhaften Titel erkämpfen und ggf. auf ewig behalten, da es nach ihm eventuell kein Deutschland mehr gibt...

      • @Rudi M.:

        Bisschen viel Schwarzmalerei.



        In den USA hat Bush jr. bestimmt auch gedacht er wäre der schlechteste Präsident aller Zeiten.

  • Scholz wird in die Regierungsgeschichte eingehen als ein kurzer Prolog der Regierung Merz, ähnlich wie in den USA Biden in Bezug auf die Trump. Hier wie dort wird nur verschärft fortgeführt, was von den jeweiligen Vorgängern vorbereitet wurde.

    • @Uns Uwe:

      Also Merz führt die Politik Merkels fort und Trump die von sich selbst oder doch von Obama?

  • Da Olaf Scholz seine Regierungszeit auch als erfolgreich einordnen würde, gibt es ja für ihn keinen Grund, kritisch zurückzuschauen.