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Schokolade – „Made in Ivory Coast“Von der Bohne zur Praline

Die Elfenbeinküste ist beim Kakaoanbau führend in der Welt – für den Export. Die Herstellung von Schokolade vor Ort steht noch am Anfang.

Axel Emmanuel ist einer der ersten Chocolatiers seines Landes. Er stellt handgemachte Schokolade und Pralinen her Foto: Katrin Gänsler

Abidjan taz | Axel Emmanuel schlägt den Eingang eines bekannten Lokals in Cocody als Treffpunkt vor. Das lebendige Viertel in der größten Wirtschaftsmetropole der Elfenbeinküste ist gut erreichbar, und der 34-Jährige arbeitet hier gleich um die Ecke in einem winzigen Einfamilien-Reihenhaus abseits vom Straßenlärm.

Unten befindet sich das ehemalige Wohn- und Esszimmer, oben neben Bad und Schlafzimmer die Küche, in der Axel Emmanuel mit seinen Rezepturen experimentiert. Der junge Mann, der in seinem früheren Leben Banker war, ist nämlich Chocolatier. Etwas Neues in diesem Land, das weltweit führend ist beim Kakaoanbau.

Schokolade hat es schon in Axel Emmanuels Kindheit immer gegeben. „Meine Mutter ist von einem Schweizer Paar adoptiert worden“, erzählt er in einem geschliffenen Französisch, das mehr nach Frankreich als nach Westafrika klingt. Vollmilch, Zartbitter und die gängigen Geschmacksrichtungen lernte er damals kennen, aber Alpenmilch mochte er als Kind besonders gern. Keine dieser Schokoladen wurde jedoch bisher in seiner Heimat hergestellt. Eine Vorstellung, die dem Jungunternehmer mit dem karierten Hemd und den schwarzen Jeans nicht gefällt. „Wenn wir schon der größte Kakaoanbauer der Welt sind, sollte am Ende der Kette ein Ivorer stehen.“

Zu den Kunden von Emmanuels kleiner Firma Instant Chocolat zählen wohlhabende Privatpersonen, eine internationale Fluggesellschaft, aber auch Messeaussteller, die seine Schokolade an ihren Ständen anbieten.

Stoffbespannte Schachteln

Axel Emmanuel hat auf einem Barhocker in seinem Wohnzimmer Platz genommen. Im Hintergrund raschelt Amoin Odette Kouassi mit Papier. Sie ist eine von insgesamt zehn Mitarbeitern seines kleinen Unternehmens und arbeitet im Erdgeschoss, wo sie die fertigen Pralinen in Silber- oder Goldpapier wickelt. Außerdem sucht sie auch kleine Schachteln aus, von denen viele mit afrikanischen Stoffen bespannt sind, schön zum Verschenken. Noch wird in der kleinen Produktionsstätte alles per Hand gemacht.

Laut einem aktuellen Kakaobarometer, das von mehreren nichtstaatlichen Organisationen herausgegeben wird, produziert die Elfenbeinküste jährlich mehr als 1,7 Millionen Tonnen Kakao und ist damit weltweit Spitzenreiter. Nachbar Ghana folgt mit 897.000 Tonnen. Kakao ist das wichtigste Exportgut, obwohl Schokolade im Land stets ein großer Luxus war, weil sie importiert werden musste. Viele ivorische Anbauer, oft Kleinbauern, die die wenige Hektar großen Plantagen von ihren Eltern geerbt haben, sind bis heute nie in den Genuss von Schokolade gekommen. Und das, obwohl schätzungsweise rund 6 Millionen der 23 Millionen Einwohner der Elfenbeinküste vom Kakaoanbau leben.

Meine Schokolade soll ein afrikanisches Element haben

Axel Emmanuel, Chocolatier

Axel Emmanuel steht auf, um zu zeigen, was aus seiner anfänglichen Begeisterung geworden ist. Zügig läuft er die Wendeltreppe hoch und schiebt einen schweren Plastikvorhang zur Seite. Dahinter verbirgt sich die Küche, das Herzstück seines kleinen Unternehmens, und es ist schwer vorstellbar, dass in dem kleinen Raum die komplette Produktion stattfindet. Doch Emmanuel nickt kräftig. „Wir kommen etwa auf eine Tonne pro Jahr.“ Im Moment hält sich die Nachfrage in Grenzen. In den Wochen vor Weihnachten und Ostern muss dagegen rund um die Uhr gearbeitet werden.

Drei Grundelemente

Die Klimaanlage surrt und sorgt für eine angenehme Temperatur. „Schokolade ist sehr sensibel. Wenn ich die Klimaanlage nicht ständig laufen lasse, bekomme ich Schwierigkeiten“, erklärt Emmanuel. „Auch bei den Mengenangaben muss ich sehr präzise arbeiten.“ Das Grundrezept hört sich zunächst einfach an: Mit der Kakaomasse – zermahlene Kakaobohnen –, der Kakaobutter – das aus der Kakaomasse gewonnene Fett – sowie Zucker besteht Schokolade grundsätzlich aus drei Elementen. Hinzugefügt wird etwas Vanille. Wer Vollmilchschokolade möchte, braucht zusätzlich Milchpulver.

Axel Emmanuel fährt vorsichtig über eine kleine beige Mühle, die auf der Arbeitsfläche steht. Sie wirkt wie ein aus der Mode gekommenes Küchenutensil, das mit stylischen Geräten à la KitchenAid oder Thermomix nicht mithalten kann. Doch der Chocolatier strahlt seine Mühle an: „Ich habe sie mir extra aus Indien kommen lassen.“ Dort war sie vermutlich zum Mahlen von Gewürzen und nicht von Kakaobohnen vorgesehen. Doch Emmanuel ist mit dem Ergebnis hoch zufrieden. Denn in dem Gerät werden die Zutaten vermengt und manchmal bis zu 72 Stunden miteinander verrührt, die seine Schokolade ausmachen.

Für seine Produktion hat sich Axel Emmanuel viel selbst beibringen müssen. 2010 hing er – nach einem Studium der Politikwissenschaften und des Steuerrechts – seinen Job in einer großen Bank an den Nagel und begann die Laufbahn eines Chocolatiers ernsthaft ins Auge zu fassen. Dafür ging er extra bei einem Konditormeister in Abidjan in die Lehre, der auf 30 Jahre Berufserfahrung zurückblicken konnte, und arbeitete in einem der großen Hotels der Stadt. Der allererste ivorische Chocolatier ist Emmanuel deshalb nicht. Allerdings ist bisher stets fertige Schokolade aus Europa verarbeitet worden, nicht solche, die auch im Land hergestellt worden ist.

Afrikanische Note

Axel Emmanuel holt aus einer Plastikbox bereits fertige Schokolade hervor: kleine Pralinen in Zartbitter. Herbe Schokolade mit einem höheren Kakaoanteil sei in der Elfenbeinküste generell beliebter, erzählt er. Trotzdem hat er auch eine Rezeptur für weiße Schokolade entwickelt, um einen geschmacklichen Gegensatz zu haben. Der Chocolatier arbeitet gern damit. Dabei will er das, was in europäischen Regalen steht, nicht einfach kopieren.

„Meine Schokolade soll immer auch ein afrikanisches Element haben.“ Er zählt auf, was sich gut zum Mischen und Ausprobieren eignet. Ingwer beispielsweise, Erdnüsse und Chili, die viele Kakaobauern in kleinen Mengen heute auch auf ihren Plantagen anbauen. Pfeffer, Bananen und Reis funktionieren ebenfalls. „Aber ich nutze auch Zutaten aus dem Ausland, beispielsweise Butter aus der Bretagne oder Pistazien aus Kalifornien.“

In Form gegossen wird all das auf der großen braungrauen Arbeitsplatte aus Granit. Wie die kleine Mühle macht sie optisch nicht viel her, doch der Ivorer fährt zärtlich mit den Fingern darüber. Sie sorgt wie die Klimaanlage für die passende Temperatur, damit sich die Schokolade gut verarbeiten lässt. Angeschafft hat Axel Emmanuel dafür extra kleine Förmchen aus Silikon und Plastik. Manchmal entstehen aber auch 100-Gramm-Tafeln aus der dunkelbraunen Masse, die allerdings noch nicht im Supermarkt zu finden sind. „Dort sind wir noch nicht angekommen“, bedauert Axel Emmanuel, zeigt aber gleichzeitig auf den Barcode einer bereits eingepackten Schokolade. Er will vorbereitet sein.

Andere ziehen nach

Seit einiger Zeit gibt es hierzulande immer mehr Schokolade „Made in Ivory Coast“, zumindest in den Geschäften in Abidjan, der größten Stadt des Landes. Früher lagen in den Regalen ausschließĺich importierte Produkte der international bekannten Hersteller. Schlagzeilen machte im vergangenen Jahr die französische Firma Cémoi. In den Zeitungen hieß es damals, die Elfenbeinküste habe nun ihre erste Schokoladenfabrik. Von der Bohne bis zur fertigen Tafel würde alles vor Ort produziert werden. An der Eröffnung von Cémoi nahm sogar Präsident Alassane Ouattara teil.

„So ganz stimmt das aber nicht“, sagt Chocolatier Emmanuel. Denn ein anderes Unternehmen ist bereits präsenter und länger am Markt: die 2010 gegründete ivorische Firma Professional Food Industry. Sie hat einen Brotaufstrich im Sortiment, dessen Design verdächtig stark an Nutella erinnert, sowie eine Reihe von Schokoladen unterschiedlicher Geschmacksrichtung. Das kleinste Täfelchen von zehn Gramm kostet gerade einmal 100 CFA (15 Cent) und ist damit für zahlreiche Menschen erschwinglich.

„Noch vor zehn oder fünfzehn Jahren war die Region ohne Hoffnung, Und jetzt sind die Wachstumsraten zweistellig“, sagt der einstige Banker hoffnungsfroh, der 2015 mit dem Alassane-Ouattara-Preis für Jungunternehmer ausgezeichnet wurde. Das bedeutet: „Wir haben eine steigende Mittelschicht, die sich Schokolade leisten kann.“ Damit meint Emmanuel nicht nur die schon heute für viele erschwinglichen Miniprodukte, sondern auch seine handgemachten Pralinen in den kleinen Geschenkboxen.

Nicht zu viel Zucker

Zweistellig ist die Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Elfenbeinküste im Jahr 2016 zwar nicht – sie liegt bei 8,5 Prozent. Doch gerade in Abidjan gibt es inzwischen entlang der Rue de Jardins eine Reihe von Cafés, wo sich einheimische Schokoladenprodukte in den Kuchentheken gut machen würden. Vorausgesetzt, die Entwicklung hält an und beschert der Stadt mehr Mittelschicht.

Axel Emmanuel hält es deshalb mit der Regierung. „Gerade erst hat sie verkündet, dass die Zeit des Wandels gekommen ist.“ Ähnlich sieht es der ghanaische Präsident John Dramani Mahama, der kürzlich meinte, Ghana und die Elfenbeinküste sollten sich nicht mehr damit zufrieden geben, nur Kakaobohnen anzubauen sondern Weltführer auch bei der Schokoladenherstellung zu werden.

Axel Emmanuel will dazu beitragen. Er lässt den Blick durch die kleine Küche schweifen, in der er in den kommenden Wochen und Monaten weiter an seinen Produktion feilen will. „Die Mischung muss völlig ausgewogen sei“, sagt er. „Ein hoher Kakaoanteil, nicht zu viel Zucker. So schmeckt die perfekte Schokolade.“

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