Schönheitsideale im Alter: Perlenketten und Arztbesuche
Je älter man wird, desto mehr lässt einen der Körper im Stich. Warum unsere Autorin trotzdem nicht aussehen möchte wie fünfunddreißig.
Hamburg taz | Schon seit vielen Jahren trage ich eine Perlenkette. Ich trug sie auch vergangene Woche auf einer Buchmessenparty. Da sagte ein interessierter Mann zu mir: „Warum trägst du denn eine Perlenkette? Eine Perlenkette macht dich alt.“ Ich sagte: „Na, weißt du, ich bin auch alt. Ich bin siebenundvierzig.“
„Frauen mit Perlenketten“ wird oft als Synonym verwendet für ältere Frauen mit Geld, das sie nicht selbst verdient haben. Mich interessiert das nicht. Ich finde Perlenketten sehr schön, ich hätte gerne einmal eine ganz lange, so lang, dass ich sie mir mehrmals um den Hals schlingen kann. Ich möchte nicht aussehen wie fünfunddreißig, ich möchte aussehen wie siebenundvierzig.
Ich bin gerne siebenundvierzig. Ich brauche endlich keinen Kindern mehr den Hintern abwischen, ich kann jetzt eine Dame sein und eine Perlenkette tragen. Dieser Druck, jung zu erscheinen, geht mir ziemlich auf die Nerven. Ich habe mein ganzes Leben auf den Tag gewartet, da ich eine der elegant gekleideten rauchenden Damen mit tiefer Stimme aus einer Columbo-Folge sein würde.
Sowas bin ich jetzt nicht direkt geworden, aber die Haltung einer Frau, die ihr Alter trägt, wie eine teure Handtasche, finde ich erstrebenswert. Es ist, zugegeben, nicht immer einfach. Wenn man jung ist, muss man sich um seinen Körper kaum kümmern. Die Haut ist schön, die Haare sind schön, die Zähne, man hat Kraft, kann sich betrinken, wenig schlafen – ohne dass es Spuren hinterlässt.
Je älter man wird, um so mehr lässt einen dieser Körper im Stich. Eine Weile kann man das vielleicht ignorieren, aber dann tut es plötzlich weh. Mir tut seit einem halben Jahr die Schulter weh. Ich kann den Arm kaum noch heben. Ich kann es nicht mehr aufschieben, ich muss zum Arzt. Ich bin öfter erkältet und schneller müde, ich mache gerne ein Mittagsschläfchen, wenn ich abends lange aus war und getrunken habe, sieht man mir das am nächsten Tag an, und ich merke das, ich bin erschöpft.
Ich muss mich um mich kümmern, um meinen Körper. Ich muss schlafen, mich gesund ernähren, mich pflegen. Alle meine Freunde, in meinem Alter, haben Beschwerden. Alle müssen immer wieder wegen irgendwelcher Dinge zum Arzt. Und über allem schwebt eine diffuse Angst, die Angst vor einer schlimmeren Krankheit. „Die Einschläge kommen näher“, sagte meine Freundin, als wir erfuhren, wer schon wieder gestorben ist. Wir bemühen uns um unseren alternden Körper, wir hoffen, dass er es dann noch eine Weile macht.
Die Vierzigjährigen treiben mehr Sport als die Zwanzigjährigen, das ist jedenfalls meine Beobachtung. Aber es geht noch etwas anderes in uns vor: Wir bereiten uns darauf vor, uns mit einer Krankheit abzufinden. Wenn es soweit ist, wollen wir auch damit fertig werden. Kranksein, Krankwerden, wird mehr zum Thema, in den Gesprächen mit Freunden. Dann lächelt man schuldig, man wollte ja nicht darüber reden, man wollte sich ja amüsieren, die anderen nicht belasten, aber man belastet sie doch. Wir belasten uns gegenseitig mit unseren Ängsten, unseren Schmerzen.
Ich habe früher über sehr alte Menschen gelacht, die über gar nichts mehr sprachen, als über ihre Krankheiten. Es schien mir sehr Ich-bezogen, als kreisten sie nur um ihr Inneres, als interessierte sie die Welt nicht mehr. Meine Oma dagegen sagte immer, wenn man sie fragte, wie es ihr ginge: „Es ist schon auszuhalten.“ Sie sprach nie über ihre Probleme – sie hielt sie aus. Ich überlege heute, dass ich etwas von dieser Haltung gerne übernehmen möchte, und trotzdem mit meinen Freunden klagen.
Ich möchte nur nicht, dass mein Körper mein Leben übernimmt. Ich möchte noch anderes haben, das mich beschäftigt. Und genau aus diesem Grund macht mich mein Körper manchmal wütend. Wenn er meiner Arbeit im Wege steht, wenn er mich nicht lässt. Wenn er mir zu sehr die Macht ergreift. Ich will mich nicht bezwingen lassen, ich denke, das geht vielen so, insbesondere natürlich den Kranken.
Die Schönheit ist eine andere Sache. Das Problem ist, dass Jugend und Schönheit oft gleichgesetzt werden. Dabei gibt es unterschiedliche Formen von Schönheit. Ein Hund kann schön aussehen, ein Baum, ein Wassertropfen, ein alter Mensch. Eine siebenundvierzigjährige Frau kann nicht mehr auf die selbe Art schön aussehen, wie eine fünfunddreißigjährige, aber warum sollte sie das wollen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern