■ Schöner leben: Fröhliche Ostern!
Es begab sich einmal vor nicht gar zu langer Zeit, daß das Jahr einen natürlichen Ablauf hatte: Frühling, Sommer, Herbst und Winter – Sie erinnern sich? Im Sommer schien die Sonne, im Winter schneite es. Regenschauer beschränkten sich im wesentlichen auf die Übergangszeiten. (Dann, und nur dann, trug man den sogenannten Übergangsmantel.) Das muß zu Zeiten gewesen sein, als Obst und Gemüse noch von Baum und Strauch geerntet wurden. Heute kommt das Obst aus dem Flugzeug, aus Ländern, in denen offenbar das ganze Jahr über die Sonne scheint.
Was schön für die Einwohner von Ecuador und Neuseeland sein mag, irritiert bei uns hingegen sehr. Statt im Herbst die ersten rotbackigen Äpfel und später Orangen gibt es nun selbst die exotischsten Obstsorten zu allen Jahreszeiten. Erdbeeren im März, Avocadoas rund um das Jahr und Kiwis sowieso. Im Supermarkt geraten nun die letzten saisonalen Orientierungen durcheinander. Während draußen noch sommerlich leichte Tops den Busen ahnen lassen, stiebt in den Regalen schon der Schneesturm. Zumindest auf den Packungen von Spekulatius, Dominosteinen und Zimtsternen. Schamlos haben sich Klimaschock und Marketing-Strategie vereint.
Doch nach welchen Anreizen kaufen die Kunden Kekse? Offensichtlich sind Zimtsterne so ein rares Gut, daß sie im Einkaufswagen landen, sobald man sie anbietet. Eine Zeitlang schien es so, als ob es die Vorfreude auf den Tannenbaum und die Weihnachtslieder sei, die Spekulatius im November oder auch im Oktober verkäuflich macht. Aber im September? Doch wer sich vor Türmen von Kekspaketen wundert, ist allein auf der Welt. Die Ware ist übermächtig. Allein durch die Menge. Vielleicht ist kaufen und aufessen doch die einzige Rettung, um von diesem Berg nicht erschlagen zu werden. Doch wie oft noch wird er bis zum Fest nachwachsen?
Gänzlich hilflos aber wird man in der Deko-Abteilung von Karstadt. Hier begrüßen uns Ostereier – ein Sonderangebot, acht Monate vor der nächstmöglichen Verwendung. Vermutlich liegt es an der Zeitumstellung – die Jahreszeiten sind abgeschafft.
Susanne Raubold
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