: Schön, schön ... so schön war die Zeiheit
■ Freddy Quinn begeisterte seine ganz treuen Fans mit einer Gala in der Glocke
Es gibt nur wenige Schlager, die so genau das Grundgefühl einer Ära ausdrücken wie die von Freddy Quinn. „Schön war die Zeit“, „Junge, komm bald wieder“, „Die Gitarre und das Meer“: Das ist so reiner Kitsch, daß es fast schon wieder Kunst ist. Wenn man diese Lieder jetzt wieder hört, spürt man noch genau, wie wohlig, wehmütig sie damals gewirkt haben: diese miefige Mischung aus Sofagemütlichkeit, Melancholie und Fernweh.
Anders als Rex Gildo oder Roy Black kann man Freddy Quinn nicht parodieren, seine ganz eigene Art vom kumpelhaftem Pathos kann kein Guildo Horn toppen. Und so waren in diesen Zeiten des kultisch verehrten schlechten Geschmacks am Mittwoch nicht die pseudo-coolen jungen Trendsetter in seinem Konzert in der Glocke, bei denen man kaum noch zwischen Geschmack und Ironie unterscheiden kann. Bei Freddy Quinn sitzen fast ausschließlich die alten treuen Fans. Da sang dann etwa ein alter Mann, der sich ständig die Augen wischen mußte, seine Lieblingslieder mit (zwar leise, aber dafür sehr falsch), und alte füllige Damen eilten zum Bühnenrand, um ein heißbegehrtes Foto zu machen. Blitzlicht während der Lieder hat sich Freddy Quinn zwar gleich zu Anfang streng verbeten, aber später durfte ihn dann jeder drei Minuten lang nach Herzenslust abknipsen.
Dabei hat der Mann überhaupt kein Charisma – und baut genau darauf die ganze Show auf. Freddy Quinn wirkt immer noch wie ein netter harmloser Nachbar, der zufällig gut singen kann und damit Karriere gemacht hat. Im Smoking sah er wie eine Fälschung aus, doch als er nach der Pause dann mit Pulli unterm Jackett auf die Bühne trat, war alles gleich viel gemütlicher. „Nicht eine Stunde tut mir leid“ war das Motto der „Gala“, für die seine BegleitmusikerInnen bei jedem Lied das passende Klangklischee erzeugen konnten.
Das Konzert war konstruiert wie eine musikalische Autobiografie: Zuerst streng chronologisch sang Freddy Quinn seine Erfolgslieder nach, und zwischendurch pauderte er leutselig über seine Karriere. Manchmal fast ein wenig pedantisch streifte Freddy durch seine Memoiren. Als er erzählte, daß sein Freund Bert Kämpfert den Welthit „Blue Spanish Eyes“ ursprünglich für ihn komponiert hat (kein Witz!), wirkte er genauso bescheiden wie bei dem Geburtstagsständchen für seinen ältesten und treuesten Bremer Fan in der ersten Reihe.
Anders als die meisten seiner Kollegen versuchte Freddy Quinn nicht einmal, aktuellen Moden nachzulaufen: Sein Konzert war fest eingebettet in die fünfziger und frühen sechziger Jahre, und er beschwor erfolgreich (wie man am frenetischen Beifall erkennen konnte) die heile Traumwelt von damals herauf. Dieses Publikum mag keine neuen Platten mehr kaufen (und zum Großteil noch nicht einmal einen CD-Player besitzen), aber für den guten alten Freddy füllt es die Glocke noch allemal.
Wilfried Hippen
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