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Schocktherapie für Pedalis

Augen auf und durch geht nicht mehr: Die Polizei bittet RadlerInnen zunehmend vom Drahtesel

900 Radfahrer wurden 2001 verletzt. Sechs starben. „Wollen Sie der Nächste sein?“

„Guten Tag. Könnten Sie bitte absteigen!“ Die Aufforderung am Bischofsnadel-Tunnel kommt freundlich, aber bestimmt. Am 22. August hatte der Bremer Innensenator Kuno Böse (CDU) der Öffentlichkeit sein Projekt „Fairkehr“ vorgestellt. Nun bekommen die FahrradfahrerInnen, von der Polizei als erste Zielgruppe ins Auge gefasst, verstärkt die Auswirkungen zu spüren.

Zum Beispiel im Fußgängertunnel an der Bischofsnadel. Mit verstärktem Personaleinsatz versucht die Polizei dort seit der zweiten Septemberwoche, die Pedalritter zum Absteigen zu bewegen. Tobias Leuze vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) betont, dass sich dieser immer für eine Entschärfung der Situation im Tunnel eingesetzt habe. „Wir haben dort sogar mal Rosen an diejenigen Radler verteilt, die von sich aus abgestiegen sind“, sagt Leuze. Er weist allerdings auch auf statistische Zahlen aus dem vergangenen Jahr hin. Diese zeigen, dass RadfahrerInnen in Fußgängerzonen zumindest keine allzu große Gefahr darstellen: In der Obernstraße hat es 2001 gerade mal zwei Unfälle mit Fahrrad-Beteiligung gegeben, auf dem Marktplatz war es nur ein einziger. In der Bischofsnadel ist nichts passiert.

Dennoch macht die Polizei – scheinbar der Statistik zum Trotz – nun immer häufiger Jagd auf die Falschfahrer in den City-Fußgängerzonen, wie etwa in der Sögestraße. Heiner Melloh, Pressesprecher bei der Bremer Polizei, hat einige Zahlen parat: „In diesem Jahr wurden von 908 registrierten Fahrradunfällen immerhin 415 von den RadfahrerInnen selbst verursacht.“ Eine Verkehrsanalyse in den Jahren 1999 bis 2001 habe zudem gezeigt, dass insbesondere bei den Unfällen, in die Kinder verwickelt waren, die Beteiligung der RadlerInnen deutlich gestiegen sei.

Indem man nun mit „Repressionen“ – so steht es auf der Internet-Seite der Bremer Polizei – gegen diese vorgeht, sollen die Unfallzahlen auf längere Sicht gesenkt werden. „Wir wollen mit den flächendeckenden Aktionen vor allem die erwachsenen Radfahrer an ihre Vorbildfunktion erinnern“, sagt Melloh. Im letzten Jahr nahm Bremen im Bundesvergleich mit 424 verunglückten Kindern pro 100.000 Einwohner einen traurigen dritten Platz ein. Nur in Brandenburg und Hamburg kamen prozentual gesehen noch mehr Kinder zu Schaden.

Eine Untersuchung für den Zeitraum Januar bis Juli 2002 hat außerdem gezeigt, dass zunehmend ältere Kinder mit dem Drahtesel verunglücken. Dies zeige, dass „erzieherische, aber auch ordnungspolitische Maßnahmen in ungenügendem Maße durchgeführt wurden“, sagt die Polizei. Folgerichtig will sie sich im Rahmen des „Fairkehr“-Projekts, das von DaimlerChrysler, der Sparkasse und den ÖVB (Öffentliche Versicherungen Bremen) finanziell unterstützt wird, auch um die jüngsten RadlerInnen kümmern: Im Frühjahr nächsten Jahres sollen alle Bremer ViertklässlerInnen einen Fahrradführerschein machen.

An der Bischofsnadel kommt der Radler übrigens noch relativ günstig weg. Die fünf Euro, die dort direkt abkassiert werden, nehmen sich gegen 62,50 Euro noch recht bescheiden aus. So viel kostet es nämlich, wenn man sich beim Überfahren einer roten Ampel erwischen lässt. In beiden Fällen drücken die Beamten dem Verkehrs-Rowdy noch ein rotes Zettelchen in die Hand, das wohl als Schocktherapie wirken soll: „Im vergangenen Jahr wurden 900 Radfahrer bei Verkehrsunfällen verletzt, davon 129 schwer, sechs starben. Wollen Sie der Nächste sein?“ Daniel Schalz

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