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Schockbilder auf ZigarettenschachtelnZweimal „Schwarze Lunge“, bitte!

Faulfüße und Raucherlungen werden bald EU-weit auf Tabakprodukten vor den Folgen des Rauchens warnen. So will es ein neuer Beschluss des Europaparlaments.

Nicht mehr „Rot“ oder „blau“, sondern „Lunge“ oder „Faulfuß“: Gruselbilder auf Tabakprodukten Bild: dpa

STRASSBURG afp/dpa | Mit Schockbildern und unübersehbaren Warnhinweisen sollen in der Europäischen Union junge Menschen verstärkt vom Einstieg ins Rauchen abgehalten werden. Darauf zielt die neue Tabakrichtlinie ab, die das Europaparlament am Mittwoch in abschließender Lesung unter Dach und Fach gebracht hat.

Die nach langen und zähen Verhandlungen zwischen Unterhändlern des Parlaments und den EU-Staaten erzielte Vereinbarung sieht vor, dass auf Zigarettenpackungen spätestens ab 2017 abschreckende Bilder prangen müssen, etwa von einem verfaulten Fuß oder einer schwarzen Raucherlunge.

Außerdem müssen 65 Prozent der Vorder- und Rückseite der Packungen von Warnhinweisen wie „Rauchen tötet“ bedeckt sein. Das gleiche gilt für Zigaretten-Feinschnitt und Wasserpfeifen-Tabak, der vor allem bei Jugendlichen beliebt ist. Solche Warnhinweise gibt es bereits heute, sie sind aber wesentlich kleiner.

In vielen Länder gehen Regierungen mit Gesetzen und Warnungen gegen das Rauchen vor. In Australien etwa müssen Zigaretten seit Oktober 2012 in einheitlichen Schachteln mit großflächigen Schockbildern verkauft werden. Die Zahl der Anrufe bei einer Hotline zur Rauchentwöhnung habe seitdem um 78 Prozent zugenommen, berichtete vor wenigen Tagen die Fachzeitschrift Medical Journal of Australia.

Die neuen Vorschriften gelten nach Angaben des Europaparlaments für rund 90 Prozent aller Tabakprodukte. Für Zigarren, Zigarillos und Pfeifentabak, die bei jungen Leuten wenig beliebt sind, reichen hingegen weiter die bisher vorgeschriebenen Warnhinweise.

Das Ende der Menthol-Zigarette

Besonders gefährliche Zusatzstoffe, die Krebs erregen, das Erbgut verändern oder die Fortpflanzungsfähigkeit einschränken können, sollen ganz aus Tabakprodukten verbannt werden. Das gleiche gilt für Aromen, die wie Vanille oder Schokolade den bitteren Geschmack des Tabaks mildern und deshalb vor allem Jugendlichen den Einstieg ins Rauchen erleichtern. Menthol-Zigaretten sollen ebenfalls vom Markt verbannt werden – allerdings erst ab 2020.

Erstmals wird es auch EU-weite Regeln für elektronische Zigaretten geben, die nikotinhaltige Flüssigkeiten verdampfen und in einigen Mitgliedsländern, etwa Frankreich, weit verbreitet sind. Der bis zuletzt heftig umstrittene Kompromiss schreibt Obergrenzen für den Nikotingehalt in der Flüssigkeit und die Größe der Kartuschen vor.

E-Zigaretten können als Medikament eingestuft werden, wenn sie als vorbeugende oder heilende Mittel dargestellt werden, oder aber als Tabakprodukt. Eine Apothekenpflicht gibt es somit nicht. Sie unterliegen den gleichen Werbebeschränkungen wie herkömmliche Tabakprodukte. Die EU-Kommission soll außerdem innerhalb von zwei Jahren die bisher kaum bekannten möglichen Auswirkungen von E-Zigaretten auf die Gesundheit bewerten.

Die Regelung wird schrittweise umgesetzt

Angesichts der „enormen Schäden“, die das Rauchen mit jährlich 700.000 frühzeitigen Todesfällen verursache, seien strikte Regeln zum Gesundheitsschutz unbedingt nötig, betonte die deutsche Grüne Rebecca Harms.

Die Neuregelung tritt in Kraft, sobald sie im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht wurde – was bis Ende März geschehen dürfte. Die EU-Staaten haben anschließend zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Der Tabakindustrie wird dann noch eine zusätzliche Frist von einem Jahr für die Umstellung gewährt. Dies bedeutet, dass Zigaretten und andere Tabakprodukte, die den neuen Vorschriften nicht entsprechen, bis spätestens Frühjahr 2017 aus dem Handel gezogen werden müssen

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24 Kommentare

 / 
  • JH
    Jens Hansen

    Geil, Sammelbilder!

  • Z
    ZAT

    Hier findet sich der exakte Verlauf der Anzahl der Anrufe:

     

    http://blog.rursus.de/wp-content/uploads/2014/01/plain_packaging_quitline_calls.jpg

  • Z
    ZAT

    Aus dem Beitrag der dpa, copy/paste by taz:

     

    "In Australien etwa müssen Zigaretten seit Oktober 2012 in einheitlichen Schachteln mit großflächigen Schockbildern verkauft werden. Die Zahl der Anrufe bei einer Hotline zur Rauchentwöhnung habe seitdem um 78 Prozent zugenommen, berichtete vor wenigen Tagen die Fachzeitschrift Medical Journal of Australia."

     

    Nein, hat sie nicht. Das MJA hat berichtet, dass die Anzahl der Anrufe innerhalb kurzer Zeit um 78% anstieg und ebenso schnell wieder auf das ursprüngliche Niveau zurückgegangen ist. In absoluten Zahlen stieg die Zahl der eingegangenen Anrufe von etwa 363 Anrufe pro Woche auf 651 Anrufe pro Woche unmittelbar nach Einführung der Schockbilder. Nach etwa 8 Wochen war die Zahl der Anrufe wieder zurück auf dem Ausgangsniveau. Vor etwa 8 Jahren betrug die Anzahl der Anrufe pro Woche übrigens etwa 900 pro Woche mit Spitzen bis zu 1600 Anrufen pro Woche. Steht im gleichen Artikel des gleichen Journals. Die Schockbilder in Australien haben lediglich eines bewirkt: Entwürdigung der Raucher. Im Rahmen der Denormalisierungskampagne ist das sicherlich auch ein Erfolg - für die 'Normalen'.

  • G
    Gast

    Mal eine andere Argumentation: Raucher belasten mit ihrer verkürzten Lebenserwartung die Kranken- und Rentenkassen weit weniger als der Durchschnitt. Im Unterschied zu Alkohol und Betäubungsmitteln ist die Gefährdung dritter, z. Bsp. im Strassenverkehr oder beim Betrieb von Maschinen, nicht gegeben. Da müssten die Kippen vom Staat eigentlich kostenfrei abgegeben werden. Alternativ auch Steuergeschenke an die Raucher oder Auszeichnungen wie "Teerlunge Erster Klasse mit Tabaklaub am Bande". Spass beiseite, wie bei anderen Suchtmitteln sollte das Augenmerk der Politik eigentlich auf dem Jugendschutz liegen (Werbeverbot im öffentlichen Raum und gesonderte Verkaufsstellen, zu denen Minderjährige keinen Zutritt haben).

  • Klar! Rauchen ist `ungesund´! Oder mehr präzise: Rauchgase aller Art einzuatmen ist `ungesund´!

    Diese Hatz gegen Tabaksraucher soll offensichtlich von anderen- mehr gesundheitsschädlichen- Rauchgasen ablenken,denen auch `Nichtraucher´ nicht entgehen!

    Dieselrauch von Autos, LKW und Schiffen.. Rauch aus Hauskaminen mit Kohle/Öl/ Holzfeuer... ist wesentlich ungesunder als Tabakrauch!

    • @vergessene Liebe:

      Ich hetze nicht gegen Tabakraucher. Ich staune über den freiwilligen Verzicht auf durchschnittlich 10 Lebensjahre bei den Rauchern. Ansonsten ist es eine altbekannte Ablenkungsstrategie auf andere Themen zu verweisen wo es angeblich viel schlimmer ist. Für mich als Nichtraucher und Radfahrer im Straßenverkehr stellen die Dieselabgase der Autos und LKWs eindeutig ein gesundheitliches Risiko dar. Aber wie schon gesagt, ich bin Nichtraucher und damit fehlt mir glücklicherweise ein extrem großer Risikofaktor.

  • PH
    Peter Haller

    @GESUNDER MENSCHENVERSTAND

    Woher wollen Sie denn wissen, ob ich rauche ?

    Ich habe aber was gegen alle militante Gesundheitsapostel, welche gegen Raucher herziehen, sich aber ohne Probleme den ganzen Dreck aus den Auto-Auspüffen in sich reinziehen bzw. ihre Kinder dem ganzen Müll aussetzen.

    • @Peter Haller:

      Das Infragestellen der Gefährlichkeit des Rauchens deutet auf Raucher oder Lobbyisten der Zigarettenindustrie. Raucher ist wahrscheinlicher ...

       

      Ich habe nichts gegen Raucher, das habe ich bereits User "Vergessene Liebe" erklärt. Und ich fahre nicht Auto, da ich den Ausstoß an Dreck für mich als überflüssig erachte.

  • O
    olli

    Ich freue mich schon auf die Reaktionen des Finanzministeriums, wenn die Schockbilder Wirkung zeigen sollten und die Tabaksteuereinnahmen wegbrechen. Das Gejammer wird groß sein!

  • N
    Nansy

    Das ist natürlich nur der Einstieg in die schöne neue Welt der Volkserzieher! Die EU-finanzierte Anti-Alkohol-Vereinigung (AMPHORA) hat bereits ihre Vorstellungen von Schockbildern auf Alkoholflaschen vorgestellt (siehe Google Bilder: "eurocare grapic warnings on alcohol" eingeben). Und in Kananda wurde schon über die Vorstellung von Schockbildern auf Pizza-Schachteln (Fettleber) und Softdrinkdosen (offene Diabetikerfüsse) berichtet.

    Es geht eigentlich nicht nur um Tabak - es geht um Volksumerziehung!

  • S
    sowas

    klasse! Da haben die Kids schöne grausige Bilder um sie auf dem Schulhof zu tauschen. Panini - Light, sozusagen...

  • Solche Bilder sind indiskutable Schockbilder, die ohne Altersbeschränkung schon kleinsten Kindern massenweise zugänglich sein werden.

    Die Kluft zwischen prekär und bewusst lebenden Menschen wird durch solche unüberlegte Gesetzgebungen zementiert.

    Schöne aufgeklärte Welt, die mit Scheuklappen durch die Gegend rennt!

    • G
      Gast
      @Wolfgang:

      Sobald die Kinder das Internet entdeckt haben (z. Bsp. bei Freunden), ist ohnehin eine Erziehungseinheit zu Schockbildern fällig. Mich stört es eher, dass sie auf ihrem Schulweg täglich an mannshohen Plakaten der Tabakmultis vorbei müssen. Noch verheerender sind Film- und TV-Figuren, womöglich noch positiv konnotiert, die qualmen.

    • @Wolfgang:

      @wolfgang - Verständnisfrage: Spielen bei ihnen die kleinsten Kinder mit Zigarettenpackungen?

  • S
    Sören

    Das ist eine sehr sinnvolle Maßnahme der EU. Die Erfahrungen aus Australien scheinen ja in der Tendenz positiv zu sein, und alles, was Erfolge hat, sollte unternommen werden.

     

    Zwar muss zwischen staatlichen Maßnahmen und Freiheit des Einzelnen immer abgewogen werden, aber der Staat hat auch eine Schutzfunktion. Studien zeigen, dass der Anteil der Raucher in bildungsfernen Schichten höher ist, und dass Raucher die Tendenz haben, negative Folgen auszublenden.

     

    Deswegen sind solche Bilder sinnvoll, um zum Nachdenken anzuregen. Ideal ist natürlich, wenn junge Menschen gar nicht erst mit dem Rauchen beginnen - auch dabei könnten solche Bilder helfen.

     

    Man kann auch sagen, dass Menschen das Recht haben, sich selbst zu vergiften (also ein libertärer Ansatz). Aber die Folgen des Konsums verursachen auch volkswirtschaftliche Schäden, bspw. durch medizinische Behandlungen. Die emotionalen Folgen, etwa für Angehörige eines Krebskranken, sollte man auch bedenken.

  • A
    Alex

    Vermutlich wäre es effektiver Zigaretten unter die Theke zu packen und nicht eine Wand von Tabakprodukten hinter dem Verkäufer aufzubauen! .....und billiger! ;)

  • S
    Smoky

    Bilder unserer Politiker_innen auf der Packung hätten sicher eine abschreckendere Wirkung als Lungenkrebs oder ein appes Bein.

  • @Peter Haller. Für Leute, die lesen können gibt es Berichte aus Zeiten, wo praktisch kein Mensch Zigaretten geraucht hatte. Da gab es praktisch auch keinen Lungenkrebs ...

     

    Aber rauchen sie ruhig weiter. Es belästigt mich nicht, wenn sich ein Drittel der Menschen in Deutschland gegen die demographische Zumutung stemmt, die da heißt: Steigende Lebenserwartung!

     

    Wir alle müssen irgendwann sterben, aber die Raucher gehen im Durchschnitt 10 Jahre früher.

  • J
    Jay

    Restriktionen bei den Inhaltsstoffen ist ja ok, aber diese Fotos?

    Warum nicht auch solche Bilder auf Alkohol-Flaschen? Oder Autos? Schnürsenkel? Kaffee-Packungen? Burger? Oder halt generell alles, was in irgendeiner Weise gefährlich sein kann?

    Die Gewohnheiten der Menschen mit solchen Tricks konditionieren zu wollen ist paternalistisch und gehört in eine totalitäre Diktatur. In einer Demokratie hingegen sollte sich jeder selbst vergiften können wie er will.

  • Sauber!

  • U
    Unsereiner

    Jede Diktatur hat mal ein Ende. Da wird die EU keine Ausnahme machen.

  • PH
    Peter Haller

    Was würde passieren, wenn keiner meht qualmen würde, aber trotzdem massenweise Leute an Lungen-oder sonstigen Krebs krepieren würden?

    Dann müsste man sich evtl. mal damit auseinandersetzen, dass das ganze Desaster mit ganz normalen Atemvorgängen an der "frischen" Luft zu tun hat. Was aber dann...?

    • JS
      Jürgen Schaller
      @Peter Haller:

      Wir leben hier aber nicht in der "was würde"-Welt, Herr Haller. Rauchen schädigt die Lungen und wenn solche Regelungen Jugendlichen die Konsequenzen des Rauchens deutlich machen, ist das mal genau die richtige sache, die Brüssel da raushaut. Von "frischer" Luft kriegen sie nur Lungenkrebs wenn sie in Peking leben oder in einer Bergwerksmine wohnen.

      • L
        Leo
        @Jürgen Schaller:

        Was würde passieren? Eine andere Krebsart, eine andere Verhaltensweise würde nachrücken und auf den Index gelangen, so einfach ist das.

         

        Oder es würde sich herausstellen, dass auch Luft und Nahrung außerhalb von Peking so "gesund" sind, dass die Fälle von Lungenkrebs nur marginal zurückgingen.

         

        Oder alle werden körperlich gesund uralt und dement: eine Welt voller Alter, die auf den Bus warten. Auch schön