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Schnell noch ein paar Ferienwohnungen her

Über Kurzzeitvermietungen und Leerstände regen sich in Hannover nicht nur verzweifelte Wohnungssuchende auf. Eine Zweckentfremdungssatzung soll endlich Abhilfe schaffen

Untrügerisches Erkennungszeichen von Ferienappartement statt Wohnraum: Schlüssel-boxen am Eingangsbereich Foto: Alessandro Bremec/imago

Von Nadine Conti

Es gibt sie längst auch in Hannover: Diese Hauseingänge mit den verdächtigen Kästchen im Eingangsbereich, aus denen man nach der Eingabe eines Codes den Wohnungsschlüssel klauben kann. Natürlich nicht so oft wie in Barcelona, Athen oder Berlin, aber doch immer öfter. Sie stehen in den schönen innenstadtnahen Vierteln oder auch in denen, die dicht am Messegelände liegen.

Kommerzielle Anbieter und private Vermieter haben eben auch in Hannover festgestellt, dass sich mit Kurzzeitvermietungen sehr viel mehr Geld verdienen lässt, als wenn man die gleichen Wohnungen auf dem normalen – und auch in Hannover sehr angespannten – Wohnungsmarkt langfristig vermietet.

Andere Großstädte haben deshalb schon vor zehn Jahren Zweckentfremdungssatzungen erlassen, die diese Art von Nutzung oder auch Leerstände einschränken. In Niedersachsen haben Gemeinden, die einen Wohnraummangel belegen können, seit 2019 die Möglichkeit, sich eine solche Satzung zu geben. Hannover hat damit lange gezögert, erst 2022 und 2023 konnte sich eine Mehrheit im Rat dazu durchringen, der Verwaltung einen entsprechenden Auftrag zu erteilen.

Und die ließ sich dann auch noch einmal Zeit, musste erst einmal eine Stelle dafür einrichten und ausschreiben, deren Inhaber sich dann an die Arbeit machte. Nun liegt ein Entwurf vor und soll vor der Sommerpause noch schnell verabschiedet werden. Bis zum Schluss wehrten sich vor allem CDU und FDP dagegen.

Das sei reine Klientelpolitik, schimpfen die Grünen in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ). Die bloße Debatte hatte nämlich schon ausgereicht, um in der Zwischenzeit die Anträge auf Nutzungsänderungen in die Höhe schnellen zu lassen. Offensichtlich versuchen etliche Wohnungsinhaber ihre Appartements noch schnell als Ferienwohnungen registrieren zu lassen, bevor eine Zweckentfremdungssatzung das erschwert. Bisher gab es dafür nämlich ein relativ einfaches Verfahren beim Bauamt.

Die CDU wehrt sich natürlich gegen einen solchen Verdacht, man habe generell Zweifel am Sinn einer solchen Regelung, die am Ende viel Bürokratie und wenig Ertrag bringe, heißt es aus der Ratsfraktion. Und aus genau solchen – grundsätzlichen Erwägungen lehnt die CDU die Satzung nach einigem Hin und Her im Bauausschuss dann auch ab.

Allerdings haben sich auch die Grünen und die – immerhin von einem grünen Oberbürgermeister geführte – Verwaltung nicht unbedingt als Treiber in dieser Sache hervorgetan. Eigentlich war das vor allem die Linke (und später auch BSW-Vertreter), die das Thema seit Jahren unermüdlich immer wieder auf die Tagesordnung hievt und die Stadtverwaltung mit Nachfragen auch zu einzelnen Objekten nervt.

Auch die Hausbesetzerszene erfährt in Hannover neuen Aufwind und weist mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen immer mal wieder auf große Mehrfamilienhäuser hin, die zum Teil seit neun oder zehn Jahren leer stehen. Mal liegt das daran, dass sich eine Erbengemeinschaft nicht einigen kann, was mit der Immobilie passieren soll, mal daran, dass große Immobilienentwickler auf einen besseren Zeitpunkt zum Verkauf warten oder die Stadt mit ihren Sanierungsabsichten nicht in die Hufe kommt.

Umstritten ist, wie viel Leerstände oder Kurzzeitnutzungen auf dem Wohnungsmarkt tatsächlich ausmachen – den Gerechtigkeitssinn vieler Menschen stören sie allerdings zweifellos, jedenfalls wenn man sich die einschlägigen Kommentare in konventionellen und sozialen Medien ansieht.

Die Hausbesetzerszene erfährt in Hannover Aufwind und weist mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf große Mehrfamilienhäuser hin, die zum Teil seit neun oder zehn Jahren leer stehen

In Politik und Verwaltung hat man sich hingegen lange darauf konzentriert, den Wohnungsneubau anzukurbeln. Tatsächlich wird in Hannover so viel gebaut wie seit Jahrzehnten nicht. Mit Kronsrode und der Wasserstadt entstehen komplett neue Stadtteile und auch an vielen anderen Stellen in der Stadt werden Baulücken geschlossen, Gebäude abgerissen und neu gebaut. Allerdings ist die Anzahl der Genehmigung im vergangenen Jahr wieder zurückgegangen – wohl vor allem aufgrund der Kostenentwicklung. Nach den Prognosen der Stadtverwaltung werden auch die zahlreichen neuen Wohnungen den Bedarf auf absehbare Zeit nicht decken – die Stadt wächst schneller, als sie bauen kann. Außerdem sind die Neubauwohnungen oft nicht gerade günstig.

Wie viel Zweckentfremdungssatzungen nun dazu beitragen können, bezahlbaren Wohnraum zurückzugewinnen, ist unklar. Immerhin hat sich der Wohnungsmarkt auch in Städten, die dieses Instrument schon sehr lange nutzen, nicht wirklich entspannt. Allerdings gibt es kaum einen Überblick darüber, wie viel Wohnungen auf diese Weise auf den Mietmarkt zurückgeführt wurden – und wie viel schlimmer die Lage ohne diese Maßnahme wohl wäre. Städte wie Berlin, München oder Frankfurt generieren immerhin nicht unerhebliche Einnahmen aus den entsprechenden Bußgeldverfahren.

Mit welchem Eifer Verstöße in Hannover verfolgt und geahndet werden können, muss sich allerdings auch erst noch zeigen. Bisher sind insgesamt drei Personalstellen für den Bereich vorgesehen – und die waren schon schwer zu besetzen. Vermutlich werden diese Mitarbeiter erst einmal damit beschäftigt sein, die eintreffenden Meldungen und Anträge der Wohnungsinhaber abzuarbeiten, bestätigt ein Stadtsprecher. Außerdem soll es eine Mailadresse geben, unter der Verdachtsfälle gemeldet werden können. Wie viel Zeit die Mitarbeiter darüber hinaus dann noch haben werden, eigene Recherchen anzustellen und Kontrollen durchzuführen, ist jetzt noch nicht abzusehen. Theoretisch soll ihnen dazu sogar ein eigenes Betretungsrecht für Grundstücke und Wohnräume eingeräumt werden.

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