Schneegestöber (11): Schlittenpisten auf dem Müggelberg: Durch die Wildnis rasen
Auf dem Müggelberg finden sich schönsten und brutalsten Schlittenpisten.
Der Waldweg auf die Müggelberge zieht sich, selbst von der nächstliegenden Bushaltestelle, kilometerweit. Das Knirschen des Schnees und das einsame Klopfen eines Spechts sind die einzigen Geräusche. Silvio Guerriero ist einer der wenigen, die hier in der Wildnis unterwegs sind. Der 24-Jährige sitzt auf dem Gipfel des Großen Müggelbergs, knappe 115 Meter über dem Meeresspiegel. Von einem Baumstamm aus, der wie beim Skispringen als Startbank benutzbar ist, geht in Richtung Norden ein gut verschneiter Pfad steil bergab durch den Wald.
Guerriero ist einem Geheimtipp gefolgt. "Das soll die geilste Schlittenpiste Berlins sein", sagt er. Mit einem halbierten Surfbrett, das beim taz-Schlittentest (taz vom 13. 1. 10) den Geschwindigkeitsrekord erzielte, will er sich in die Tiefe stürzen. "Na, das wird ein Spaß", meint Guerriero leicht beklommen.
So viel Winter war selten. Doch wo herrschen die besten Bedingungen, um Schnee und Eis vollendet zu genießen? Die taz testet täglich Berlins Ski-, Eis- und Rodelgebiete. Heute: Schlittenfahren auf dem großen Müggelberg.
Schneequalität: Puder pur!
Pistenqualität: Eine superschnelle, aber recht sichere Strecke und eine mit Schikanen zugebaute Piste für Psychopathen.
Konkurrenz: Freitagvormittag genau null, am Wochenende eventuell etwas mehr.
Après-Ski-Potenzial: In einem Kiosk auf dem kleinen Müggelberg gibt es jeden Tag von 10 bis 17 Uhr Glühwein und Grog.
Er setzt sich auf sein Brett und rast los. In eine Pulverschneewolke gehüllt, wird er schneller und schneller. Dann macht die Strecke einen Bogen und läuft über einen Waldweg langsam aus. Der Schwung reicht bis zum an den Berg grenzenden Teufelssee.
Die Piste ist schnell, aber durch die dicke Schneedecke gut gepolstert. Weil sie bis auf die Kurve in der Mitte aus zwei geraden Stücken besteht, ist sie sogar mit Guerrieros schwer lenkbarem Gefährt gut befahrbar. "Das war mal richtig spannend", fasst er seine Fahrt zusammen. Dabei ist der Schweizer Snowboardlehrer im Schnee eigentlich nicht leicht zu beeindrucken.
Vom Plateau aus Richtung Westen gibt es eine zweite Strecke hinunter zum Teufelssee. Die Schlucht durch den Wald ist eine ehemalige Rodelbahn, wird aber eigentlich nur noch von Downhill-Mountainbikern genutzt. Die Strecke ist mit Schikanen aus Holz zugebaut. "Curves, Flats und Rampen" meint Guerriero unter dem Schnee zu erkennen - und stürzt sich auch dort johlend hinunter. Eine kleine Rampe zieht ihn an. Er fliegt kurz, aber bei der Landung zerfetzt es das Surfbrett unter seinem Hintern mit einem erschreckenden Krachen. "Das war der Überschallknall!", brüllt Guerriero, bevor er samt den Splittern seines Gefährts in einer Schneewehe versinkt.
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