Schleswig-Holstein konzentriert Gerichte: Der weite Weg zur Gerechtigkeit
Schleswig-Holsteins Landesregierung will Gerichte an wenigen Standorten zusammenfassen. Opposition und Verbände fühlen sich überrumpelt.
„Diese Vorgehensweise lässt uns fassungslos zurück“, erklärte die Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Richterverbandes, Christiane Schmehl. Dass mehrere Hundert Beschäftigte ohne jeden Dialog quer durchs Land versetzt werden sollten, habe sie bisher für unvorstellbar gehalten.
„Gleichzeitig den Bürgerinnen und Bürgern ihren ortsnahen Zugang zu den wichtigen Sozial- und Arbeitsgerichten zu nehmen, ist ein Handstreich, wie er im Buche steht“, kritisierte Schmehl. Das Ministerium versicherte, vor dem Gesetzgebungsverfahren werde es eine Anhörung geben.
In einer Pressemitteilung der schwarz-grünen Landesregierung zum Ergebnis ihrer Haushaltsverhandlungen am Dienstag hatte es noch vage geheißen, die Justizministerin werde gebeten, „die Fachgerichtsbarkeit örtlich stärker zu konzentrieren und auch zu prüfen, ob und in welchem Umfang bei den Amtsgerichten durch eine Zusammenlegung Effizienz- und Wirtschaftlichkeitsvorteile erzielt werden können“.
Ziel: mehr Effizienz
Die Pläne dafür lagen aber offenbar schon in der Schublade. Konkret sollen die vier Sozialgerichte in Itzehoe, Kiel, Lübeck und Schleswig sowie die fünf Arbeitsgerichte in Elmshorn, Flensburg, Kiel, Lübeck und Neumünster an einem „Fachgerichtszentrum“ in zentraler Lage zusammengefasst werden, in das auch mindestens ein Verhandlungssaal für große Strafverfahren integriert werden soll.
Zudem soll das Finanzgericht von Kiel nach Schleswig in ein weiteres Fachgerichtszentrum ziehen. Perspektivisch soll es auch nur noch ein Amtsgericht pro Kreis geben.
Die Konzentration soll die Gerichtsbarkeit effizienter machen. „Es besteht bei den Gerichtsgebäuden ein erheblicher Sanierungsstau, während es gleichzeitig immer schwieriger wird, die teilweise sehr kleinen Organisationseinheiten personell aufrechtzuerhalten“, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums. „Dabei werden wir die Belange der Justizbeschäftigten und der rechtssuchenden Bevölkerung bestmöglich wahren.“
Heiko Siebel-Huffmann, der Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ), bezweifelt das. „Für alle werden die Wege weiter“, kritisiert er. „Damit nimmt man niemanden mit, sondern verprellt alle diejenigen, die wohnortnah Rechtsschutz gewähren.“ Das betrifft nicht nur die Richter, sondern auch die ehrenamtlichen Beisitzer, bei Amtsgerichten die Schöffen.
Angesichts der sozialen Lage „kontraproduktiv“
Alfred Bornhalm, der Landesvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), hält die Pläne in ihrer Deutlichkeit und Konsequenz angesichts „der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage“ für kontraproduktiv. Angesichts der vielen Menschen, die mit den Entscheidungen der Behörden nicht einverstanden seien, brauche es mehr Wohnortnähe, nicht das Gegenteil. „Wenn ich nicht vor Ort bin, kann ich auch nicht das gesellschaftliche Umfeld einschätzen“, sagt Bornhalm. Damit werde es schwerer, den Menschen gerecht zu werden.
Der Richterverband kritisiert, dass das Justizministerium die möglichen Einsparungen nicht beziffert habe. Der ASJ-Vorsitzende Siebel-Huffmann prophezeit sogar, dass die Zusammenlegung mehr kosten als sparen werde. Schließlich würden an den zentralen Standorten teure neue Säle und Büros benötigt. Der Rechtsschutz in Schleswig-Holstein sei mit rund fünf Euro pro Bürger und Monat schon günstig. Da könne kaum gespart werden. Zugleich falle in der Fläche wichtige Infrastruktur und damit auch Kaufkraft weg.
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