Schlagabtausch im Bundestag: Heiße Debatte zu Griechenland
Finanzminister Schäuble war am Freitag im Bundestag erfolgreich mit seinem Anliegen, Griechenland weiter zu helfen. Die Opposition rechnete harsch mit der Europa-Politik der Regierung ab.
BERLIN dapd | Die Bundesregierung will Griechenland weiter helfen und erhält dafür auch grundsätzliche Unterstützung von der Opposition. Bei der konkreten Ausgestaltung der Hilfe jedoch gehen die Vorstellungen weit auseinander.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will Athen schnell weitere Unterstützung zukommen lassen. Während die Koalitionsfraktionen dafür bestimmte Auflagen fordern, will die Linke die Hilfe gänzlich anders gestalten. SPD und Grüne werfen der Regierung vor, sich nur halbherzig für Europa zu engagieren.
Schäuble kennzeichnete in seiner Regierungserklärung im Bundestag am Freitag die Lage in Griechenland und Europa als "ernst". Es bestehe die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit Athens. Damit verbunden seien auch Gefahren für die Eurozone und die globale Entwicklung. Nötig sei jetzt ein Programm, um die griechische Finanzierungslücke zu schließen, sodass das Land Anfang Juli wie geplant die nächste Kredittranche erhalten könne, sagte der CDU-Politiker. "Unerlässliche Voraussetzungen" dafür seien allerdings weitere Anstrengungen der griechischen Regierung, etwa in Form von Privatisierungen. Außerdem halte er eine Beteiligung privater Gläubiger an den neuen Hilfen für "unvermeidbar", sagte Schäuble.
Brüderle: SPD hat Stabilitätspakt "kaputt gemacht"
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sicherte dem Finanzminister die Unterstützung der Liberalen zu. Er plädierte zugleich für eine "angemessene Beteiligung des Parlaments" an den weiteren Entscheidungen. Ein entsprechender Antrag der Fraktionen von Union und FDP wurde am Ende der Debatte verabschiedet. Brüderle attackierte in seiner Rede die SPD scharf. Diese habe während ihrer Regierungsbeteiligung den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt aufgeweicht und "kaputt gemacht".
Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder griff die SPD an und warf ihr mangelnde Europa-Freundlichkeit vor. Immer, wenn es wichtig geworden sei, sei die SPD dagegen gewesen, kritisierte Kauder. Jetzt wollten die Sozialdemokraten eine "unkonditionierte Transferunion". Diese aber würde Europa weiter nach unten führen.
Der Haushaltsexperte der Unionsfrakton, Norbert Barthle, sagte, man dürfe sich jetzt nicht "zurücklehnen und sagen, das ist nicht unser Problem". Die anstehende Entscheidung betreffe nicht nur Griechenland, "sondern reicht weit darüber hinaus".
Steinmeier kritisiert "Dienst nach Vorschrift"
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier rechnete seinerseits mit der Europa-Politik der Bundesregierung ab. Europa erlebe "vielleicht die größte Krise seit der Gründung der Europäischen Union". Gleichzeitig mache die Regierung "Dienst nach Vorschrift", ausgenommen der Finanzminister. Zudem habe Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihren Äußerungen über angeblich zu großzügige Urlaubsregelungen in bestimmten Staaten den Eindruck erweckt, dass Europa nicht ihre Herzenssache sei, urteilte Steinmeier.
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, kritisierte Schäuble dafür, keine konkreten Zahlen zur künftigen Hilfe für Griechenland genannt zu haben. "Sie bleiben die Verantwortung schuldig", sagte er. "Damit kriegen Sie keine Zustimmung bei der Bevölkerung, im Gegenteil." Die bisherigen Hilfsprogramm für Griechenland nannte Schneider "gescheitert".
Kuhn kritisiert Merkels "demographiegeleiteten Opportunismus"
Auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Fritz Kuhn, warf der Regierung eine verfehlte Europa-Politik vor. Die Kanzlerin sage nicht, dass die deutsche Zukunft in Europa liege, sondern betreibe "demographiegeleiteten Opportunismus". Wer glaube, Europas Integration mit Stammtischreden voranzubringen, "der irrt sich". "Klugerweise sollten wir den Griechen weiter helfen", sagte Kuhn. Gleichzeitig warnte er davor, das Land weiter in eine tiefe Rezession zu treiben.
Linksfraktionschef Gregor Gysi sprach sich für einen "Marshall-Plan" für Griechenland aus. "Wir brauchen ein Investitionsprogramm für Griechenland", sagte Gysi. Das bisherige Vorgehen habe die dortige Krise nur vertieft, kritisierte Gysi. Die Auflagen für Athen kennzeichnete er als falsch. "So kann man eine Gesellschaft nicht retten. Man zerstört sie dadurch", sagte Gysi.
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