Schifffahrtskrise in Südkorea: Die Geisterflotte

Die Pleite der Hanjin-Reederei offenbart einen Schwenk in Südkoreas Subventionspolitik. Seoul stützt die Konzerne nicht mehr um jeden Preis.

Hanjin-Frachter liegt im Nebel vor Anchorage

Ganz schön groß für ein Geisterschiff: Hanjin-Frachter vor Anchorage Foto: reuters

SEOUL taz | Fast 80 Schiffe der bankrotten südkoreanischen Hanjin-Flotte mit einer halben Million Containern treiben auf offener See. Die meisten Häfen weigern sich, sie ohne Vorkasse hineinzulassen. Und die Gläubiger drohen, die Frachter bei der Landung sofort zu beschlagnahmen.

Die Pleite des siebtgrößten Schifffahrtsunternehmens der Welt ist zweifelsohne ein logistischer Super-GAU, nicht nur so kurz vor der Weihnachtssaison. Für die Branche insgesamt ist sie jedoch zumindest vorübergehend ein Segen.

Seit der Weltwirtschaftskrise haben die meisten Firmen ihre Flotten massiv ausgebaut, während der globale Warentransport stagnierte. Massive Überkapazitäten waren die Folge, worunter zuallererst kleinere Unternehmen zu leiden hatten. Dass die Krise nun auch den ersten Marktriesen zu Fall bringt, kommt nicht überraschend: Seit fünf Jahren in Folge schreibt Hanjin Shipping trotz eines Marktanteils von 3,2 Prozent rote Zahlen, die Schulden betrugen zuletzt umgerechnet rund 5 Milliarden Euro.

Die Pleite fungiert daher auch als Marktkorrektiv. Sie verteuert den Platz auf Containerschiffen.

Bereits in der ersten Woche nach dem Konkurs stiegen die Frachtraten zwischen Asien und Nordeuropa nach Angaben der Schifffahrtsbörse in Schanghai um fast 40 Prozent. Nutznießer sind vor allem direkte Rivalen wie die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd. Konsumenten hingegen müssen demnächst wohl erhöhte Preise für Waren aus Ostasien in Kauf nehmen.

Markt bald wieder entspannter?

Mittelfristig dürfte sich die Marktsituation jedoch schon bald wieder einrenken: Nur rund die Hälfte der Containerschiffe von Hanjin gehören nämlich auch dem Konzern. Die Frachter aus den Charterreedereien dürften schon bald wieder auf den Weltmeeren unterwegs sein – und die Konkurrenz erneut anfachen.

Die strauchelnde südkoreanische Wirtschaft jedoch trifft die Pleite ins Mark. Beim rasanten Aufstieg des einst bitterarmen Agrarstaates kam der Reederei eine Schlüsselrolle zu, schließlich verfrachtet sie große Teile der heimischen Produkte rund um den Globus. Exporte stellen rund die Hälfte des Bruttonationalprodukts. Zuletzt waren sie jedoch 20 Monate in Folge gesunken. Nur im August gab es einen leichten Aufwind.

Die Exportkrise des Tigerstaats hängt vor allem mit dem verlangsamten Wachstum Chinas zusammen, das der wichtigste Handelspartner ist. Allerdings könnten die wirtschaftlichen Beziehungen nach der kontroversen Einigung um das THAAD-Raketenabwehrsystem im Juli wieder belastet werden. China betrachtet das vom US-Militär auf südkoreanischem Boden geplante Raketenabwehrsystem als Eingriff in seine nationale Souveränität.

Um die Wirtschaft zu revitalisieren und die massive Abhängigkeit gegenüber großen Mischkonzernen zu mindern, hat es sich Präsidentin Park Geun Hye zur Aufgabe gemacht, Start-ups und mittelständische Unternehmen zu fördern. Dementsprechend fährt Seoul einen für viele internationale Beobachter überraschend harten Kurs gegenüber dem Hanjin-Konzern. Während die Regierung dem Schiffskonzern weitere Kredite verweigert, sicherte sie kleineren von der Umstrukturierung betroffenen Zulieferbetrieben finanzielle Hilfe zu.

Das wäre eine Trendwende, denn in der Vergangenheit ist Seoul ein ums andere Mal mit günstigen Krediten in die Bresche gesprungen, um seine maroden Konglomerate vor dem Konkurs zu retten. Bis heute gelten diese daher im Volksmund als „too big to fail“. Dieser Mythos scheint nun zerstört.

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