Scheuers Verkehrspolitik: Breit wie Autos

Verkehrsminister Scheuer enttäuscht einen nie: Auch seine jüngsten Vorschläge für eine fahrradfreundlichere Straßenverkehrsordnung sind Murks.

Rad nach Unfall auf Straße

Mehr Platz für Radler, weniger Autos, weniger Unfälle – eigentlich ganz einfach Foto: dpa

Die deutsche Verkehrspolitik ist drogenabhängig. Ganz wie ein Alkoholkranker tut sie alles, um sich selbst und anderen weiszumachen, sie wolle an ihrem toxisch-aso­zia­len Verhalten etwas Grundlegendes ändern, allerdings nur unter der einen absurden Voraussetzung: sich ungestört weiter mit dem Gift Auto volllaufen lassen zu dürfen und dadurch eben auch andere Menschen erheblich in Mitleidenschaft zu ziehen.

Dass die jüngsten Reformvorschläge zu Straßenverkehrsordnung von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) von manchen als jedenfalls gut gemeint und die richtige Richtung weisend beurteilt werden, kann man da wohl nur mit dem Konzept der Co-Abhängigkeit erklären.

In einer städtischen Verkehrslandschaft, deren Problem Nummer eins die ungerechte, klimaschädliche und in ihren zerquetschenden und überrollenden Konsequenzen ganz konkret mörderische Bevorzugung des motorisierten Individualverkehr ist, lobt man den Maut-Pleitier Scheuer dafür, sich ein wenig weniger ins autoabhängige Koma zu saufen.

Bei Scheuers Vorschlägen weiß man gar nicht, welche Pulle man zuerst in den Gully leeren soll: Um Radfahrer besser zu schützen, heißt es etwa, sollen Lkws künftig nur noch im Schritttempo rechts abbiegen dürfen – sonst drohen satte 70 Euro Bußgeld! Nun, da wissen wir dann immerhin Bescheid, wie viel ein Schulkind wert ist.

Schnittiges Abbiegeverhalten

Denn ob nun aus einer Scheißegal-Haltung heraus oder vom Arbeitgeber gehetzt – zu viele real existierende Lkw-Fahrer werden sich von solchen Scheinregelungen in ihrem einfach zu oft schnittigen Abbiegeverhalten nicht beeindrucken lassen. Das weiß jeder, der den Verkehr nicht nur durch die getönten Scheiben eines Dienstwagens wahrnimmt.

Irrsinnig lustig ist auch die Regelung, nach der auf Busspuren künftig auch E-Scooter fahren dürfen (mal sehen, wer gewinnt) sowie Autos mit mindestens drei Insassen (mal sehen, wer das kontrolliert).

Obendrauf dann noch diese großherzig-ministerliche Erlaubnis: Radfahrer sollen künftig auch nebeneinander ­fahren dürfen, wenn sie den Verkehr damit nicht behindern. Wo also eigentlich jeder Radfahrer sich Ausleger an den Rahmen schweißen müsste, um auf die Durchschnittsbreite des deutschen Pkws von 180 Zentimetern zu kommen, soll ihm nun gestattet werden, was ihm ohnehin schon lange zusteht – und was viele Radler zum Glück auch längst tun: sich den Platz nehmen, den ihnen niemand schenken wird.

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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