■ Stihl verspricht Halbierung der Arbeitslosigkeit in 4 Jahren: Scheinheilige Trickserei
Für wie dumm wollen die Arbeitgebervertreter die Arbeitnehmer eigentlich noch verkaufen? Vollmundig schleudert der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Hans Peter Stihl, die Prognose heraus: Durch eine echte Nullrunde bei den kommenden Tarifverhandlungen sei eine Halbierung der Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 erreichbar. Meteorologen erstellen ihre Voraussagen für das Wetter in vier Jahren wahrscheinlich auf fundierteren Grundlagen. Die Sprüche von Stihl & Co. erinnern an die Methode, einem Pferd ein Stück Zucker unerreichbar vor die Nase zu binden, damit es immer weiterläuft. Das Zückerchen für die Arbeitnehmer heißt Halbierung der Arbeitslosigkeit. Dafür sollen sie auf Lohn verzichten, auf Kündigungsschutz, sollen später in Rente gehen und was sonst noch alles.
Doch die Versprechenden machen sich nicht einmal die Mühe, ihre leichtfertigen Äußerungen auch nur einigermaßen nachvollziehbar zu untermauern. Alles basiert auf einer Hoffnung: Die Arbeitgeber müssen mehr Kapital haben, das werden sie dann schon investieren, und das kommt dann den Arbeitnehmern zugute. Das hatte auch Maggie Thatcher geglaubt. Während ihrer Regierungszeit sanken die Löhne dramatisch, die Sozialleistungen wurden erheblich gekürzt, doch der gewünschte Effekt, die Reduzierung der Arbeitslosigkeit, blieb aus. Als die englische Regierungschefin daraufhin den Begründer der sogenannten angebotsorientierten Politik, den Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman nach dem Grund fragte, erwiderte der: „Die Sparmaßnahmen sind eben noch zu gering.“ Das Risiko für den Erfolg von Lohnkürzungen etc., lernen wir daraus, tragen allein die Arbeitnehmer.
Die Arbeitgeber sind dagegen fein raus. Wer würde ihnen in vier Jahren einen Vorwurf machen, wenn die Arbeitslosigkeit nicht halbiert worden ist? Denn daß die Arbeitslosigkeit künftig nennenswert sinkt, glauben ohnehin nur die wenigsten. Leute wie der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf sagen offen, daß wir künftig eher mit mehr als mit weniger Arbeitslosen rechnen müssen. Klammheimlich richten sich alle auf einen erhöhten Sockel der Arbeitslosigkeit ein. Scheinheilige Versprechen wie die einiger Arbeitnehmervertreter vernebeln nur den Blick. Markus Franz
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