: Scheidung ist ja einfach
Bei AOL ist Beckers Rosenkrieg Privatsache. Hauptsache, der familiäre Werbespot wird ab sofort nicht mehr ausgestrahlt ■ Von Peter Ahrens
Bild-Schlagzeile von gestern: „Babs Anwalt brüllte: Sie lügen.“ Ein Lügner als Werbeträger – jetzt reichts. Kann man es mit seinem Gewissen vereinbaren, noch AOL-KundIn zu sein, repräsentiert von einem, der seiner Frau die Kreditkarten sperrt? Kann man nicht. Die pubertär glucksende Freude über das Drin-Sein hat man ja noch mit Unbehagen hingenommen, aber jetzt ist tatsächlich Schluss. Sofort zu t-online wechseln. Es sei denn, der Internet-Anbieter mit Sitz am Millerntorplatz hat überzeugende Argumente. Es käme auf den Versuch an.
Erster Anlauf: AOL-Mitgliederbetreuung. Zunächst einmal lässt man den Erregten eine Viertelstunde in der Warteschleife mit Musik hängen. Dann: Guten Tag, ich will meinen AOL-Anschluss kündigen, da ich mich dermaßen darüber geärgert habe, wie der AOL-Werbeträger Boris Becker mit seiner Frau umgeht. Umgehend setzt beim Pädagogen im Mitgliedsbetreuer der Beschwichtigungsreflex ein. Ob ich mir das nicht nochmal überlegen wolle? AOL habe doch keinen Einfluss auf das Privatleben von Herrn Becker.
Na, ja, Einfluss vielleicht nicht, aber man könne als Unternehmen doch reagieren, in dem man sich einen Repräsentanten suche, der positivere Schlagzeilen macht, Container-Alida zum Beispiel oder DJ Ötzi. Die ganze Rosenkriegs-Geschichte müsse doch auch für einen AOL-Mitarbeiter mit seiner eingeschweißten Corporate Identity unangenehm sein. „Ach, Ehestreitigkeiten gibt es doch bei anderen Leuten auch“, findet der AOL-Mann. Klar sei es ein bisschen peinlich, dass Becker im AOL-Spot gerade mit seiner Familie werbe und damit, wie oft er noch könne, aber „der hat uns während der Dreharbeiten für den Werbespot ja nicht auf dem Laufenden gehalten, was bei ihm hinter den Kulissen passiert“. Ansonsten solle ich doch eine Mail an die Geschäftsführung schreiben, die werde dann ganz bestimmt weitergeleitet.
Wer mailt kann auch direkt anrufen. AOL-Zentrale Millerntorplatz, Vermittlung. „Ach, ich finde gar nicht, dass der Becker so schlecht mit seiner Frau umgeht“, beruhigt die Frau in der Telefonzentrale und ohnehin: „Die Presse schreibt und schreibt und ist doch nie dabei, wenn Boris mit Babs redet.“ Ob mir denn außerdem gar nicht aufgefallen sei, dass seit der Trennung der Familienspot nicht mehr ausgestrahlt werde. „Jetzt wird ja der mit dem Baby gezeigt, und den finde ich persönlich ja entzückend.“ Ich solle mich aber mal mit meinem Ärger an die AOL-Mitgliederbetreuung wenden.
Gute Idee. Also wieder die Mitgliederbetreuung. Diesmal ist es eine Frau, die weiterhilft. „Das mit der Scheidung ist ja seine persönliche Sache, und was da privat vorgefallen ist, ist wahrscheinlich ganz anders, als was Becker nach außen vorträgt.“ Ansonsten stumpfe man bei solchen Themen total ab, „man hört ja auch immer von Flugzeugunglücken und nimmt trotzdem weiterhin die Lufthansa“. Aber ich könne gern eine Mail an die Geschäftsführung schreiben.
Die Werbeträger von t-Online feiern am Sonntag im Übrigen ihren Abschied als Tatort-Kommissare. Die Telefonnummer der AOL-Mitgliederbetreuung ist 0180-531 31 64.
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