Schauspieler Hannes Jaenicke: Ein Clooney, der mit Haien schwimmt
Der Schauspieler Hannes Jaenicke engagiert sich für Tiere und gegen den Klimawandel. Er glaubt, dass man nerven muss, um etwas zu erreichen. Eine Begegnung.
BERLIN taz | Zuerst kommt immer der Vorwurf, er mache das aus PR-Gründen. Kennt er schon. "Was ist die Alternative?", fragt er. "Die Klappe halten? Gar nichts machen? Soll ich mich bei Pilcher-Verfilmungen oder in Kochshows tummeln? Ist es nicht besser, sich zu engagieren?"
Hannes Jaenicke, 49, ist Film- und Fernsehschauspieler und seit einiger Zeit auch investigativer Naturfilmer im ZDF. Programmchef Thomas Bellut setzte seine Dokus zuletzt gar auf einen Primetime-Platz. Berlinale-Chef Dieter Kosslick sah die Ausstrahlung von "Im Einsatz für: Haie" und war so angetan, dass er am nächsten Morgen bei Jaenicke anrief und den Film für das Berlinale-Programm buchte.
Andere Filmfreunde waren weniger begeistert. "Meister des explosiven Betroffenheitsjournalismus", nannte ihn stern.de und bemängelte einen "hollywoodreifen Erzählstil". War noch gar nichts. "Da musst du erst mal die FAZ lesen", sagt Jaenicke, damit konfrontiert, "die haben uns richtig eingekocht." Manchen Frauen kommt er aus der Ferne generell etwas zu testosteronig rüber, manchen Männern auch. In der Doku schwimmt er mit Haien, sieht Fischern beim Töten zu, schleust sich bei Haiflossen-Großhändlern ein und spricht dazu aus dem Off mit bisweilen vor Wut bebender Stimme, um mit Haiklischees aufzuräumen und für ein Ende des industriellen Massentötens des wichtigsten Meeresbewohners zu agitieren. Jaenicke findet: "Anders kann man Umweltdokus nicht mehr drehen, wenn man etwas bewegen will."
Geboren: 25. Februar 1960
Beruf: Schauspieler, Drehbuchautor ("Abgeschminkt"), Grimmepreis-Träger ("Sardsch")
Berlinale: "Hannes Jaenicke im Einsatz für: Haie". Mittwoch, 17. Februar. 22.00 Uhr, Kino im Martin-Gropius-Bau, Berlin
An diesem Tag sitzt Jaenicke in einem Café im Berliner Westen. Hat sich auf seine Arbeit als Jurymitglied der Green Me Lounge der Berlinale vorbereitet, die "Grüne Filme" auszeichnet. Ist glänzend gelaunt. Spricht über seinen Beruf. "Ich mache einen Unterhaltungsberuf; Krimis, Komödien, mal mit mehr, manchmal auch etwas weniger Gehalt." Den ARD-"Tatort" mag er. Da war er ein paar Folgen lang Maria Furtwänglers große Liebe. Nun dreht er wieder einen, mit Eva Mattes, zudem mit Götz George einen "Schimanski", das wollte er schon immer. Das sei das eine. Das andere: "Ich benutze ein Medium, weil ich glaube, es kann auch mehr als nur zu unterhalten. Du kannst mit diesen Dokus wirklich etwas bewegen."
Zum Beispiel: Nach der Folge über die vom Aussterben bedrohten Orang-Utans war der Focus entsetzt über die "Machart des Films". Jaenicke wolle nicht informieren, sondern "Hass aufbauen". Das vorgestellte Rettungsprojekt in Borneo habe indes "siebenstellige" Spenden für die Wiederaufforstung des Regenwalds erhalten. "Da ist mir dann doch egal, was geschrieben wird", sagt Jaenicke, "ich hab einen halben Regenwald hingestellt." Journalisten hätten ihm gesagt, den Rockmusiker Bono müsse man "auch mal mit einem nassen Waschlappen erschlagen", so nerve sein Afrika-Engagement. Und er dachte: Warum, weil er etwas bewegt? "Der hat mehr Kinder zur Schule geschickt als 50 Jahre Entwicklungshilfe." Klar nerve Bono. Das müsse er sogar, um etwas zu erreichen. Und wenn der Schauspieler George Clooney für Haiti sammle, kämen ruckzuck 60 Millionen Dollar für Hilfe zusammen. "Hallo? Dann soll er doch nerven."
Seine Erkenntnis ist: Du musst auf produktive Weise nerven, sonst bewegst du nichts. Und seine darüber hinausgehende Erkenntnis lautet: "Diese Clooneys bewegen mehr als jeder Politiker."
Nach wenigen Minuten Gespräch mit Jaenicke ist offensichtlich, dass man einen Öko vor sich hat. Klassisch sensibilisiert in den 80ern durch Rheinverschmutzung und Greenpeace. Durch die Stahlbäder des Misstrauens gegen Ökos in Freundeskreis und Kollegenschaft gegangen. Topinformiert. Er kennt die Zahl der im vergangenen Jahr in China gebauten Kohlekraftwerke, er kennt das Investitionsvolumen des Atom- und Kohlekonzerns EnBW in Erneuerbare Energien usw.
Jaenicke gehört zu denen, die nicht darauf setzen, dass die Anwendung neuer Technologien das Klima- und Energieproblem in den nächsten dreißig Jahren löst. Für ihn läuft es auch auf Lebensstiländerung hinaus. "Wir müssen lernen zu verzichten. Warum haben alle so eine Riesenangst davor?" Er macht ein paar Dinge, die für viele noch unvorstellbar sind: Er duzt Sigmar Gabriel; er stellt die Heizung im Winter auf 17 Grad. Außer wenn Gäste kommen. Und er isst keine Tiere.
Anfang der 80er war er mit einer Balletttänzerin zusammen, die sich vegetarisch ernährte. Er machte mit. Dazu kam die Beschäftigung mit dem immensen Wasser- und Getreideverbrauch bei der Fleischproduktion und der Klimaschädlichkeit von Rinderzucht. Den Ausschlag gab dann eine Rolle in der ZDF-Serie "Ein Fall für Zwei". "Da habe ich das Pech gehabt, in einer Hühnerfarm zu drehen, und zum ersten Mal gesehen, wie Hühner produziert werden." Er plädiert nicht für Weltvegetariertum, er plädiert für den "Sonntagsbraten", also einmal in der Woche Fleisch. Und er registriert Bewegung: "Ich merke es an unseren Filmteams. Früher hatten wir zwei, drei Vegetarier, jetzt sind es manchmal schon ein Drittel des gesamten Teams."
In Teilen der Gesellschaft und bis tief in die grüne Wählerschaft hinein ist man eifrig auf der Suche nach Entlastungsargumenten, warum man jetzt noch nicht einen klimabewussten Lebensstil mit weniger Energieverbrauch leben sollte. Da böte es sich an, darauf hinzuweisen, dass Jaenicke Surfer ist, Teile des Jahres in Pacific Palisades lebt, einem Stadtteil von Los Angeles, und damit auch energetisch auf hohem Niveau. Das weiß er.
Er weiß auch genau, wie viel CO2 er verursacht, wenn er für seine Dokumentation mit vier Mann nach Costa Rica fliegt (18 Tonnen). Er kennt die Frage, ob individuelles Mikro-Engagement für das Klima nicht eh eine Illusion sei angesichts der globalen Situation.
"Nein. Das bringt was. Konfuzius hat gesagt, eine Reise von 1.000 Meilen beginnt mit einem Schritt." Er hat echten Ökostrom. Ernährt sich regio-bio, kompensiert Flüge, fährt in der Stadt Fahrrad und als Auto einen Passat Blue Motion. Real brauche der knapp fünf Liter fossilen Brennstoff. Einerseits "ein fauler Kompromiss", andererseits "das Bindeglied bis zum E-Mobil in zehn Jahren."
In diesem Zusammenhang fordert er, dass die Formel 1, wenn es sie schon gibt, Innovationswerkstatt für eine mobile Zukunft ohne fossile Brennstoffe werden müsse. "Das Argument ist doch, dass die Formel 1 wichtig sei, weil dort neue Techniken ausprobiert würden. Warum fahren die dann noch mit Sprit? Die Formel 1 sollte nur mit regenerativen Energien fahren dürfen."
Hannes Jaenicke wurde in Frankfurt am Main geboren. Manchmal hört man einen hessischen Einschlag. Aufgewachsen ist er in Pittsburgh, Pennsylvania, in den späten 60ern dominiert von seiner Stahlindustrie. Den blauen Himmel habe er zum ersten Mal mit zwölf Jahren gesehen. Er ist in Kalifornien als Demokrat registriert. Schwarzenegger hält er für einen Blender, die FDP für eine "Seuche", den CDU-Umweltminister Röttgen für "nicht verkehrt".
Er glaubt daran, dass die Zivilgesellschaft auch den Markt treiben oder korrigieren kann. "Unser Geldbeutel ist die schärfste Waffe, die wir haben." Aber wir kriegen sie nicht in Anschlag?
"Noch nicht. Wir brauchen Geduld. Öko war vor fünf Jahren noch ein Schimpfwort, ich wurde ausgelacht mit meinem Bioladen- und Fahrradfahrding. Jetzt fahren sie alle selbst in den Bioladen." Wenn man ihn richtig versteht, ist das für ihn nicht das Ende, sondern der Anfang einer gesellschaftlichen Bewegung. Und was seine Transatlantikflüge angeht: "Solange wir Kohlekraftwerke bauen, müssen wir über Flugverkehr nicht reden. Da müssen wir nicht mal über Autoverkehr reden. Und Merkel winkt immer noch Kohlekraft durch und die SPD auch."
Trotz allem sagt er, dass es am Horizont hell werde. "Sicher: Gegen die diversen Lobbys werden wir noch lange kämpfen." Aber dass es einen Prius überhaupt gebe und selbst General Motors ein Ökomobil baue, dass das Kaufhaus KaDeWe in Berlin nach seiner Hai-Sendung "die Schillerlocke aus dem Regal genommen" habe - das ist der geräucherte Bauchlappen des gefährdeten Dornhais -, all das bestätigt Hannes Jaenicke in seiner Grundannahme. Sie lautet: "Du kannst etwas bewegen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid