Schaubühne sagt Gastspiel in Istanbul ab: Dilemma im Kulturaustausch

Die Schaubühne Berlin sollte beim 21. Istanbuler Theaterfestival „Richard III.“ spielen. Wegen Sorge um ihre Mitarbeiter sagt sie aber ab.

Haus im Bauhaus-Stil, drüber steht "Schaubühne"

Zu viele Verhaftungen in der Türkei, die Schaubühne bleibt in Berlin Foto: wikimedia / A. Savin (CC3.0)

Vor einem Jahr hatte am Berliner Maxim Gorki Theater Yael Ronens Stück „Denial“ über Verleugnungen und Lebenslügen im privaten und politischen Kontext Premiere. In einer sehr komischen Szene streiten sich eine Mutter in Istanbul und ihre Tochter aus Berlin über einen geplanten Besuch in Istanbul. Die Tochter fragt nach Verhaftungen, Bedrohungen, Angst und malt ein gruseliges Bild einer Stadt, in der das öffentliche Leben erstirbt. Die Mutter wehrt empört ab und sieht das alles als völlig übertrieben. Und redet dabei doch so, als müsse sie vor allem sich selbst überzeugen.

Was da als Komödie geboten wurde, wiederholt sich jetzt in der Realität. Die Schaubühne aus Berlin sagte ein Gastspiel von „Richard III.“, das beim 21. Istanbuler Theaterfestival gezeigt werden sollte, kurzfristig ab. Sie begründet die Absage mit der Sorge um ihre Mitarbeiter und verweist auf die „Verhaftungen vieler Journalisten, Wissenschaftler und Menschenrechtler in den letzten Wochen und Monaten“, für die die Gründe oft nicht erkennbar waren.

Ob das eine übertriebene Sorge ist, ist nicht einfach zu beurteilen. In der Schaubühne wurde über die Reise zum Festival, auf dem man schon viele Gastspiele gegeben hat, seit Sommer diskutiert. Vor zwei Jahren, als sie auf dem Festival den „Volksfeind“ von Ibsen zeigten, wurden in einer Szene, in der sich das Publikum an einer politischen Diskussion beteiligen kann, viele Erdoğan-kritische Stimmen laut.

Das brachte ihnen später den Vorwurf ein, ein „dirty german game“ zu spielen und das Publikum politisch aufzuhetzen. Daran dachten jetzt viele wieder. Zuletzt gab, so sagt Thomas Ostermeier, die Verhaftung des Kulturmäzens Osman Kavala, Leiter der Kulturstiftung Anadolu Kültür, den Ausschlag, dass sich das Ensemble gegen die Reise entschloss.

Die Verunsicherung des Ensembles ist zu verstehen. Trotzdem zeigt die Absage der Schaubühne ein großes Dilemma an. Für die Kulturszene in Istanbul ist sie ein fatales Signal, gerade jetzt ist es wichtig, die Verbindung aufrechtzuerhalten. Frank Heuel, Regisseur beim fringe ensemble Bonn, arbeitet in Istanbul mit kurdischen Theatermachern zusammen und fährt demnächst wieder zu Proben dorthin. In Bonn hatte er gerade Theaterleute aus Istanbul zu Gast, die sich von der Nachricht der Absage der Schaubühne vor den Kopf gestoßen fühlten, das „erzeugt Gänsehaut“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.