piwik no script img

Schalke 04 und der TabellenplatzSeltsame Sprachregelung

Reflex im Pott: Obwohl Schalke 04 unter Trainer Huub Stevens 31 von möglichen 39 Punkten geholt hat, will der FC partout kein Spitzenteam sein.

Knurrig trotz erfreulicher Tabellenplatzierung: Schalke-Trainer Huub Stevens. : dpa

KÖLN taz | Während der vergangenen Wochen ist immer mal wieder der Name Michael Schumacher aufgetaucht, wenn es um die Zukunft des 1. FC Köln ging. Einige Zeitungen sinnierten darüber, ob der Rennfahrer geeignet sei, das vakante Präsidentenamt des rheinischen Fußballklubs zu übernehmen, und beim klaren 1:4 der Kölner gegen Schalke 04 ließ Schumacher sich tatsächlich mal wieder leibhaftig bei seinem Lieblingsverein blicken. Der Formel-1-Star sah ein desillusionierendes Fußballspiel, plauderte nach dem Abpfiff in den Katakomben der Arena mit Lukas Podolski und verschwand schnell in der Nacht. Offenbar glaubte Schumacher genug gesehen und gehört zu haben und verpasste das sehenswerte Schauspiel, das die Schalker nach ihrem fünften Sieg in Serie aufführten: ein Lehrstück über die Kunst des Understatement.

Der Revierklub steht punktgleich mit dem FC Bayern und Borussia Dortmund ganz oben in der Tabelle, doch Huub Stevens wollte noch nicht einmal der Behauptung zustimmen, dass Schalke eine Spitzenmannschaft sei. Dieser 4:1-Sieg in Köln erlaubt in den Augen des Trainers nur eine Schlussfolgerung: "Wir haben jetzt 40 Punkte, und ich glaube, mit 40 Punkten kann man nicht mehr absteigen. Von da heraus bin ich sehr zufrieden." Der soeben vor dem Abstieg gerettete Traditionsverein klammert sich mal wieder an die Rolle des Underdogs, man kennt diesen Reflex im Pott. Die Favoritenbürde ist den Schalkern noch nie gut bekommen.

Doch so entspannt und überzeugend wie im Augenblick haben sich die Schalker noch nie in die Außenseiterrolle hineingeredet. "Die anderen sind besser", sagte Stevens, und Manager Horst Heldt ergänzte, Dortmunds Sieg gegen Hoffenheim sei ja "ein Erguss gewesen, den habe ich bei uns nicht gesehen". Schalke hatte in der Tat eine ganz schwache erste Hälfte gespielt, lag nach einem Podolski-Treffer (4.) mit 1:0 zurück, ließ große Chancen zum 2:0 zu, und am Ende wirkten sie fast froh, dass sie dieses Argument hatten, um sich kleinzureden. "Wir sind kein Spitzenteam, aber wir sind eine echte Mannschaft", meinte Christoph Metzelder, und so groß die Zweifel am ersten Teil dieser Behauptung auch sein mögen, der zweite Teil stimmt ganz sicher.

Stevens knurrt

Schalke leidet seit Wochen heftig unter den Ausfällen zahlreicher Stammspieler. Holtby, Farfan, Höwedes, Fährmann, Raúl, Jones und Baumjohann standen vor ihren Verletzungen oder Sperren jeweils in der Startelf, in Köln mussten sie alle ersetzt werden. Doch mit der erstaunlichen Tiefe des Schalke Kaders werden all diese Ausfälle kompensiert. In Köln ist der Ergänzungsspieler Ciprian Marica zum Helden geworden.

Der Rumäne hat in dieser Saison so gut wie keine Rolle gespielt, ein Ttreffer ist ihm für Schalke bisher nicht gelungen, nun hat er einen 0:1-Rückstand mit zwei Treffern in eine 2:1-Führung verwandelt (60., 72.). "Auch er war in der ersten Halbzeit schlecht", knurrte Stevens zwar, doch Maricas Haltung stehe beispielhaft für die Entschlossenheit dieser Schalker.

Klaas-Jan Huntelaar hatte ebenfalls eine furchtbar schwache erste Hälfte gespielt, war dann aber an allen Toren beteiligt. Das 3:1 erzielte er per Foulelfmeter selbst (Kölns Miso Brecko war nach einer Notbremse auch noch vom Platz geflogen). Marco Höger, eigentlich ein Außenbahnspieler, gab wie schon eine Woche zuvor einen souveränen Sechser und erzielte das 4:1 (82.). Verteidiger Christoph Metzelder erlaubte sich diverse grobe Fehler, biss sich dann aber in die Partie hinein, und Marica fand die passenden Worte zur Charakterisierung der Schalker: "Wir haben gezeigt, welchen Willen, welche Kraft, welchen Charakter und welche Qualität diese Mannschaft hat", sagte der Rumäne.

Vielleicht hat diese Fähigkeit zur Krisenresistenz mit dem Rücktritt des erschöpften Trainers Ralf Rangnick zu tun. Seither hat die Mannschaft 31 von 39 möglichen Punkten geholt. "Was kann Schalke noch umwerfen?", wurde Heldt irgendwann gefragt. Der Manager erwiderte ohne zu Zögern: "eine Meisterdiskussion!" Doch solange Dortmund so brillant spielt wie im Moment und Schalke geschickt Katastrophenhalbzeiten einstreut wie jene ersten 45 Minuten in Köln, dürfen die Gelsenkirchener sich getrost als Underdog inszenieren. Schaden kann das nicht, denn "wenn es kommt, dann kommt es", sagte Stevens, und mit "es" meint er sicher nicht Michael Schumachers Wahl zum FC-Präsidenten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen