Schätzungen von Hilfsorganisation: Tausende Kinder in Gaza vermisst
Hilfsorganisationen warnen vor katastrophalen Folgen des Kriegs für Kinder. Tausende sollen von ihren Familien getrennt worden sein.
Bei der Zahl handelt es sich allerdings um eine sehr grobe Schätzung. Sie basiert zu einem großen Teil – 17.000 Personen – auf einer Schätzung des UN-Kinderhilfswerks Unicef aus dem Februar. Hinzugerechnet hat Save the Children 4.000 Minderjährige, was dem prozentualen Anteil von Kindern an den rund 10.000 Menschen entspricht, die nach Schätzungen palästinensischer Behörden unter Trümmern begraben liegen. Selbst Save the Children schreibt: „Wie viele Kinder werden vermisst? – Wir wissen es nicht mit Sicherheit.“
Doch selbst wenn die Zahlen mit Vorsicht zu behandeln sind: Auch andere Hilfsorganisationen warnen vor katastrophalen Auswirkungen des seit mehr als acht Monaten anhaltenden Kriegs, der mit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober begann. „Als ich in Gaza ankam und durch die Stadtteile fuhr, fiel mir die große Anzahl an Kindern auf. Viele tragen keine Schuhe“, berichtete Ulrike Julia Wendt, Kinder-Nothilfekoordinatorin beim International Rescue Committee, Ende Mai. Da die Schulen geschlossen seien, seien die Kinder einem erhöhten Risiko von Ausbeutung und Missbrauch ausgesetzt.
Save the Children zitiert einen Mitarbeiter in Gaza: „Jeden Tag finden wir mehr unbegleitete Kinder und wird es schwieriger, sie zu unterstützen. Wir arbeiten mit Partnern zusammen, um getrennte und unbegleitete Kinder zu identifizieren und ihre Familien ausfindig zu machen, aber es gibt keine sicheren Einrichtungen für sie.“
Zudem sei es schwierig, die Kinder mit ihren Familien zusammenzubringen, da die Kämpfe den Zugang zu den Gemeinden erschwerten und die Familien ständig zum Umzug zwingen würden. Auch Save the Children warnt vor Gewalt gegen Kinder: „Viele sind bei Fremden – oder ganz allein – untergebracht, was das Risiko von Gewalt, Missbrauch, Ausbeutung und Vernachlässigung erhöht.“
Dürfen krebskranke Kinder Gaza verlassen?
Insgesamt sind nach palästinensischen Angaben bereits mehr als 37.000 Menschen in Gaza getötet worden. Mehr als 14.000 davon sollen nach bereits älteren Angaben Kinder sein. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat angegeben, dass die Hälfte aller Getöteten Kämpfer gewesen seien. Israelische Behörden betonen zudem, dass in Reihen der Hamas und anderer militanter Gruppen auch Minderjährige kämpfen.
Derweil gab es in arabischen Medien Berichte, dass erstmals seit dem 7. Oktober einige palästinensische Kinder mit schweren Krankheiten, darunter Krebs, aus Gaza über den Übergang Kerem Schalom nach Israel ausreisen dürften. Demnach sollten die Kinder aus dem nördlichen Gazastreifen nach Chan Junis und dann zur Behandlung ins Ausland gebracht werden. Eine Bestätigung seitens Israels oder der Weltgesundheitsorganisation stand am Montag aus.
Israel hat indes erneut den Gazastreifen bombardiert. Netanjahu hatte am Sonntag gesagt, die intensive Phase des Krieges werde bald vorbei sein, was es der Armee ermöglichen werde, Kräfte an die Grenze zum Libanon zu verlegen. Wer außer der Hamas in einem solchen Fall in Gaza das Machtvakuum füllen würde, ist nach wie vor offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken