Schätzungen der WHO: Mehr Tuberkulose-Tote wegen Corona
Die WHO schätzt, dass 2020 eine halbe Million Menschen zusätzlich an der Krankheit starben. Dabei könnte man sie und Corona gleichermaßen bekämpfen.
Über feine Tröpfchen in der Luft verbreiten sich die Tuberkulosebakterien, wenn eine betroffene Person sie zum Beispiel aushustet. Sie können zum Ausbruch der vor allem als Lungenkrankheit bekannten Tuberkulose führen. Nicht jeder, der sich angesteckt, wird krank. Doch Stress wie Mangelernährung haben einen Einfluss darauf – Faktoren, die im vergangenen Jahr Millionen von Menschen mehr als sonst betrafen.
Gesundheitsexpert:innen warnten bereits vor einem Anstieg der Tuberkulosefälle. Zwar gab es durch Lockdowns weniger zwischenmenschliche Kontakte, doch durch die Pandemie wurden Behandlungen abgebrochen oder sind erst gar nicht zustande gekommen. „Viele Menschen aus dem TB-Programm haben sich aus Angst vor Corona abgeschirmt“, bestätigt der ehemalige Leiter von Mumbais TB-Krankenhaus, Lalit Anande. Während des harten Lockdowns in Indien hatten Personal wie Patienten Schwierigkeiten, die Klinik zu erreichen.
So erging es nicht nur den Menschen in der Metropole Mumbai: In mehr als 80 Ländern ist ein Rückgang der Behandlungen um 21 Prozent im ersten Jahr der Pandemie zu verzeichnen. Die größten Rückschritte gab es in Indonesien (minus 42 Prozent), Südafrika (41 Prozent), den Philippinen (37 Prozent) und Indien (25 Prozent).
Das geht aus einem neuen Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hervor. Diese schätzt daher, dass 2020 eine halbe Million Menschen zusätzlich an Tuberkulose gestorben sind, da sie keine Diagnose erhalten haben. Zudem hätten etwa 1,4 Millionen Menschen keine TB-Behandlung erhalten. Dies sei ein tragisches Beispiel dafür, wie die Pandemie in Armut lebende Menschen treffe, äußerte sich der WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus im Hinblick auf den Welttuberkulosetag am heutigen Mittwoch.
Kampf gegen Tuberkulose und Corona
Das internationale Netzwerk Stop TB Partnership schätzt, dass die vergangenen 12 Monate den globalen Kampf gegen Tuberkulose um 12 Jahre zurückgeworfen haben. Die Zahlen lägen auf dem Niveau von 2008, so Lucica Ditiu, Direktorin von Stop TB. „Wenn wir klug sind, können wir etwas gegen Covid-19 und Tuberkulose gleichzeitig unternehmen“, sagt sie der taz und nennt positive Beispiele: „Indien hat seit August mit der Prävention wieder aufgeholt, auch in einigen afrikanischen Ländern gibt es Fortschritte gegen Tuberkulose“.
Das Wichtigste sei nun, das Testen voranzutreiben und die vulnerablen Communites zu erreichen. „Testet gleichzeitig auf TB und Covid-19“, schlägt Ditiu vor. Jedes Jahr erkranken 10 Millionen Menschen neu an Tuberkulose. Die Sterblichkeit bei einer Covid-19-Koinfektion liegt fast dreimal höher.
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