Schärfere Schritte gegen Big Tech: X in schlechter Gesellschaft
Die großen IT-Konzerne hatten lange Narrenfreiheit, zu lange. Nun wundern sie sich, dass es zunehmend Regeln gibt – die auch durchgesetzt werden.
W enn das Unternehmen groß und wirtschaftsmächtig genug ist, die Besitzer politisch vernetzt sind und die Technologie aus der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken ist – dann müssen sich die Inhaber schon keine Sorgen machen, dass ihr Geschäftsmodell von zu vielen ungemütlichen Regeln eingehegt wird.
Dieses Signal haben Regierungen zahlreicher Länder über Jahre hinweg an die Big-Tech-Konzerne gesandt. Zu lange fehlte es an grundlegenden Vorgaben etwa zu Datenschutz und Kartellrecht, die auf die Branche wirksam anwendbar gewesen wären.
Kein Wunder also, dass sich mit der Zeit eine gewisse Hybris eingestellt hat. Ein Gefühl, vielleicht nicht über, aber doch jenseits des Gesetzes zu stehen. So lässt sich erklären, warum die Köpfe hinter den Konzernen doch sehr ungläubig bis bockig reagieren, wenn nach Jahrzehnten der weitgehenden Narrenfreiheit seit ein paar Jahren nun – ganz langsam und Schritt für Schritt – ein paar Grenzen eingezogen werden. Und wenn Menschen und Institutionen ernsthaft an der Durchsetzung dieser Regeln arbeiten.
Zum Beispiel das Gericht in Brasilien, das am Wochenende die Sperrung von Elon Musks Online-Plattform X angeordnet hat, weil diese Regeln für Hassrede und Fake News weitgehend ignoriert. Auch die Festnahme des Telegram-Gründers Pawel Durow in Frankreich gehört dazu, die kartellrechtlichen Gerichtsverfahren in den USA oder die jüngsten Plattformgesetze in der EU.
Vollsperrungen von Diensten sind verständlicherweise umstritten. Aber auch, wenn viele Verfahren und Gesetze in die richtige Richtung gehen, bleibt eine Lücke: Die problematischen Geschäftsmodelle an sich und deren negative Auswirkungen, etwa was Polarisierung angeht, die Standardisierung von Körperbildern oder die maximale Ausbeutung persönlicher Daten – diesen Kern haben sie noch nicht angetastet. Denn dafür bräuchte es mehr: schmerzhaftere Strafen, vielleicht sogar die Aufspaltung von Unternehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen