Schärfere Klimaziele für die Wirtschaft: In Brüssel ja, in Berlin nein

Für die EU fordert Deutschland nach langem Zögern jetzt „Klimaneutralität“ bis 2050. Auf nationaler Ebene vertagt die Koalition das Thema.

Blumen vor einem Windrad in Baden-Württemberg

So schön kann Klimaschutz in Deutschland sein: Ein Windrad in Baden-Württemberg Foto: dpa

BRÜSSEL BERLIN taz | Der Druck auf Deutschland und andere EU-Länder zeigt Wirkung: Kurz vor dem EU-Gipfel am Donnerstag bekennen sich immer mehr Länder zu einer klimaneutralen Wirtschaft bis zum Jahr 2050. 18 der 28 Mitgliedstaaten hätten sich hinter das Klimaziel gestellt, sagte Wendel Trio vom Climate Action Network (CAN) am Montag in Brüssel. Das mache Hoffnung; von einem Durchbruch wollte er aber noch nicht sprechen.

Nach langem Zögern hatte am Wochenende auch die deutsche Bundesregierung signalisiert, dass sie das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 unterstützt. Vorausgegangen war ein wochenlanger Streit mit Frankreich und den Benelux-Staaten. Sie hatten schon vor der Europawahl Ende Mai mehr Ehrgeiz gefordert.

Doch erst nach der Wahl und dem Erfolgen der Grünen signalisierte Berlin ein Umdenken. Trotz Vorbehalten aus dem Wirtschafts- und dem Verkehrsministerium unterstützte der deutsche Botschafter in Brüssel ausdrücklich die Forderung, das Jahr 2050 als Ziel für eine klimaneutrale EU in den Text­entwürfen für die Abschlusserklärung des EU-Rats am Donnerstag und der Strategischen Agenda der EU zu benennen („fair transition to a climate-neutral EU by 2050“).

Bisher verfolgt die EU das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Klimaneutralität würde deutlich darüber hinausgehen: Treib­hausgase müssten weitestgehend vermieden werden; jene Emissionen aus Landwirtschaft und Industrie, die unvermeidbar sind, müssten durch CO2-Bindung in Wäldern und Böden oder durch technische Speicherung von CO2 kompensiert werden.

Es ist mehr Geld gefragt

CAN-Direktor Trio zeigte sich zufrieden. „Die Klimakampagnen und die ‚Fridays for Future‘-Bewegung haben die Europawahl beeinflusst“, stellte er fest. Neben den Grünen hatten sich auch Sozialdemokraten und Liberale für eine ehrgeizigere Klimapolitik ausgesprochen. Nur die Konservativen um den deutschen Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) zögern noch. „Er ist nicht voll an Bord“, kritisierte Trio.

Doch auch das könnte sich noch rechtzeitig vor dem EU-Gipfel ändern. Im Europaparlament arbeiten Sozialdemokraten, Liberale und Grüne zusammen mit Webers Europäischer Volkspartei an einer Art Koalitionsvereinbarung. Der Klimaschutz soll dabei ganz weit oben stehen. Und da Weber das Amt des EU-Kommissionschefs anstrebt, steht er nun ebenfalls unter Druck, sich in Sachen Klimaschutz zu bewegen.

Allerdings ist noch offen, wie konkret das Bekenntnis des Parlaments und des EU-Gipfels ausfällt. Er erwarte keine detaillierte Festlegung, so Trio. Dabei sei jetzt schon klar, dass die Klimaneutralität nicht ohne zusätzliche Anstrengungen zu erreichen wäre. Vor allem Landwirtschaft, Gewerbe und Verkehrssektor müssten sich mehr als bisher anstrengen. Auch sei mehr Geld gefragt.

Die Regierung vertagt das Thema

Nach einer Darstellung des WWF sperren sich nur noch Bulgarien, Polen und Tschechien gegen das neue Klimaziel. Sie könnten versuchen, ihre Zustimmung mit Entlastungen an anderer Stelle oder EU-Hilfen zu erkaufen.

Immerhin ist der Widerstand bisher noch so stark, dass es noch nicht möglich war, das Jahr 2050 in den Entwurf der Gipfel-Schlussfolgerungen aufzunehmen. Der Wortlaut könne noch „angepasst“ werden, „um die Diskussion des Gipfels zum Klimawandel widerzuspiegeln“, heißt es in einer Fußnote.

Auf nationaler Ebene gab es in Berlin derweil keine Fortschritte beim Klimaschutz: Der Koalitionsgipfel am Sonntag vertagte das Thema und erklärte lediglich, das im September ein Gesamtpaket vorgelegt werden solle.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.