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Schadenersatzklage nach Feuer an BordHauptsache VW muss zahlen

Der Untergang der „MS Felicity Ace“ mit Neuwagen von VW an Bord beschäftigt das Landgericht Braunschweig. Eine Frage ist: Wie gefährlich sind E-Autos?

Hatte viele E-Autos an Bord: Ausgebrannter Frachter auf dem Atlantik südlich der Azoren Foto: Marinha Portugal/dpa

Braunschweig taz | Sind die Lithium-Ionen-Batterien von vier nagelneuen Porsche Taycan Schuld am Untergang des Automobiltransportschiffes „MS Felicity Ace“? Und wenn ja: Trifft den Konzern eine Mitschuld? Das sind die Fragen, mit denen sich die 12. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig am Mittwoch auseinanderzusetzen hatte.

Geklagt haben die Schiffseigner, die japanische Reederei und ihre Versicherer, zu denen auch der ­Allianz-Konzern gehört. Sie wollen Schadensersatz, weil sie davon ausgehen, dass die VW-Tochter Porsche und das VW-Logistikunternehmen es versäumt haben, auf die besonderen Gefahren und notwendigen Vorkehrungen aufmerksam zu machen. Das – so lässt der Vorsitzende Richter Ingo Michael Groß durchblicken – dürfte allerdings nicht ganz leicht nachzuweisen sein.

Mit Luxuskarossen an Bord gesunken

Rückblick: Die „MS Felicity Ace“ verlässt am 10. Februar 2022 den Hafen von Emden. An Bord: Fast 4.000 Neuwagen verschiedener VW-Marken, darunter etliche Luxuskarossen der Marken Porsche, Lamborghini, Bentley und einige wenige gebrauchte Privatfahrzeuge. Das Ziel: die Ostküste der Vereinigten Staaten.

Am Morgen des 16. Februar 2022 geht auf dem Schiff ein Rauchmelder los. Ein Matrose wird zur Überprüfung geschickt, er wird später aussagen, auf Deck 1 hätten zu diesem Zeitpunkt schon vier Porsche Taycan in Flammen gestanden. Löschversuche bleiben vergeblich – ob aufgrund der Tatsache, dass das bordeigene Löschsystem nicht ordnungsgemäß funktioniert oder weil es generell nicht für Brände dieser Art ausgelegt ist, ist umstritten.

Bereits nach einer halben Stunde gibt der Kapitän den Befehl, das Schiff zu evakuieren, eine Stunde nach dem ersten Alarm sind alle Crewmitglieder von Bord gegangen – zum Glück wurde niemand verletzt oder getötet. Weitere Versuche, das Transportschiff von außen zu löschen, abzukühlen und dann in den nächsten Hafen zu schleppen, scheitern. Der Frachter sinkt am 1. März 2022 südlich der Azoren.

Große materielle Verluste

Die materiellen Verluste infolge des Brandes auf der „MS Felicity Ace“ sind hoch – sowohl auf Seiten des Volkswagen-Konzerns als auch auf Seiten des Reeders. Bei VW ist von 200 Millionen Euro die Rede, darüber, wie hoch die Verluste der Reederei anzusetzen sind, streiten die Parteien noch immer. Deshalb drehen sich nun gleich drei Prozesse um die Frage, wer dafür aufkommen muss. Ein weiterer Prozess ist in Stuttgart anhängig, wo Porsche ansässig ist. Außerdem wird man sich auch in Panama noch einmal vor Gericht treffen.

Und natürlich schwingt im Prozess auch immer die Frage mit: Wie gefährlich sind eigentlich Elektroautos? Eigentlich – das wird auch an diesem Gerichtstag vom Vorsitzenden Richter noch einmal betont – brennen die nicht öfter als Verbrenner – im Gegenteil. Aber wenn sie brennen, brennen sie eben sehr heiß und sind schwer zu löschen. Im Grunde müsste die gesamte Batterie unter Wasser gesetzt werden, um sie abzukühlen.

Übliche Löschanlagen wirken nicht

Die üblichen Löschanlagen auf Schiffen, die meist mit Schaum arbeiten und versuchen, den Brand mit CO2zu ersticken, funktionieren schon deshalb nicht, weil in einer brennenden Batterie neuer Sauerstoff entsteht. Die Reedereien – auch hoch spezialisierte wie hier die Mitsui O.S.K. Lines – tun sich schwer, darauf eine Antwort zu finden. Auch deshalb bohrt das Gericht an genau dieser Stelle nach: Was genau hätte man denn anders gemacht, wenn Porsche oder VW auf diesen neuen Batterietypus hingewiesen hätte?

Aber die Parteien streiten nicht nur darum, sondern setzen schon viel früher an: Zum einen ist strittig, ob der Brand überhaupt in den Batterien der Porsches entstanden ist – darüber gibt es widerstreitende Gutachten. Eine Untersuchung ist nicht möglich, die „MS Felicity Ace“ liegt auf 3.000 Metern tief im ­Atlantik. Die Ursachenforschung kann sich also nur auf Indizien stützen.

Wir werden bis Ostern fertig, ich kann aber nicht sagen, welches Ostern das sein wird

Ingo Michael Groß, Vorsitzender Richter

Reederei und Versicherer stützen sich hierbei vor allem auf die Aussagen der Crew über den Brand­verlauf. Die Anwälte des VW-Konzern argumentieren dagegen mit den Aufnahmen der portugiesischen Marine vom brennenden Schiff. Ihrer Auffassung nach legen die Brandspuren an der Hülle des Schiffes einen anderen Brandherd nahe.

Und dann wären da noch die Fragen zu klären, die tief ins Vertragswerk und ins Haftungsrecht führen: Wer hat das Schiff beladen und wie, wer ist für die Verteilung und Sicherung der Ladung verantwortlich, wer muss welche Risiken in Kauf nehmen? Gibt es tatsächlich stichhaltige Indizien, die darauf hindeuten, dass die Batterien sich aufgrund eines Herstellungsfehlers oder weil sie fälschlicherweise überladen wurden, selbst entzündet haben?

Das wird ein teures und langwieriges Unterfangen

Um sich hier einer Antwort anzunähern, werden wohl aufwendige Sachverständigengutachten und auch eine erneute Vernehmung der überwiegend philippinischen Crew nötig sein – ein voraussichtlich teures und langwieriges Unterfangen, wie der Richter im Hinblick auf die Prozessrisiken noch einmal anmahnt.

Das Gericht hatte zuvor auch schon versucht, das Ganze in einem Mediationsverfahren klären zu lassen. Doch die sechs Monate andauernden Verhandlungen blieben ergebnislos. Nun haben die Anwälte bis Anfang Oktober Zeit, zu den vom Gericht aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen. Dann wird man sich auf Gutachter verständigen müssen und die Zeugenvorladung in die Wege leiten. „Wir werden bis Ostern fertig, ich kann aber nicht sagen, welches Ostern das sein wird“, bemerkt Richter Groß noch launig, bevor er die Prozessbeteiligten in die Nachmittagshitze entlässt.

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10 Kommentare

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  • Interessant wäre auch gewesen, wieviel Co2 Ersparnis aufgrund der nun fehlenden Individualkarossen kurzfristig eingespart wurde. Und wieviel Co2 erzeugt wurde, um die Dinger zu produzieren.

    • @Stefan Schmitt:

      Ihr zweiter Satz beantwortet den ersten. Oder glauben Sie ernsthaft, dass die "verhinderten Kunden" kein Auto mehr fahren?



      Im blödesten Fall wird noch der alte Verbrenner weitergenutzt, bis das neue Auto da ist...

  • Und wie passt jetzt die reißerische Überschrift zum Text?

  • Ich gehe davon aus, dass die Sache im Vergleich enden wird, da wahrscheinlich alle Parteien eine gewisse Schuld mit sich tragen. Kommunikation, Technik, Unvermögen. Da wird VW, die Crew, der Hafen und auch die Reederei bestimmt Versäumnisse aufweisen. Freuen sich halt die Anwälte über 6 bis 7 stellige Honorare...

    • @Enis Sokolowsky:

      Darauf würde ich nicht wetten, generell hat das Transportunternehmen das Risiko zu tragen, es muss explizit beweisen, dass VW mindestens eine Teilschuld trägt, was halt schwierig wird. Ein Vergleich wurde ja bereits angestrebt vom Richter aber ist gescheitert.

  • Bei meiner aktuellen Fährbuchung (Livorno -> Palermo, bin oft dort unterwegs) wurde ich zum ersten Mal danach gefragt, ob ich einen Verbrenner, einen Hybrid oder ein E-Mobil fahre.



    Ok, bei meinem Diesel war die Antwort leicht; und keine Ahnung, was passiert wäre, wenn ich mit einer der beiden anderen Optionen geantwortet hätte.

  • Ich verstehe die Überschrift "Hauptsache VW muss zahlen" nicht. Ist das die Meinung der taz, der Autorin oder nur die Meinung der Kläger?

  • Statt 4000 Luxuskarossen hätten die Rohstoffe in den Autos für andere, wichtigere und sinnvollere Dinge ausgegeben werden können. Defibrillatoren, die mit Li-Ionen-Akkus betrieben werden zum Beispiel. Elektrische Komponenten, für Trinkwasseraufbereitungsanlagen in der dritten Welt. Und das vulkanisierte Gummi der Reifen sind nun auch für etwas besseres gedacht, z.B. für Fahrradschläuche.

    Alles liegt nun unerreichbar und unrecyclebar im Meeresgrund.

    • @Troll Eulenspiegel:

      …so wie so ziemlich alles, was mit einem Schiff untergeht, per Flugzeug abstürzt, im Weltall landet oder verbrennt.



      In der Regel ist das ja nicht vorhersehbar (außer die Weltall-Sache).



      Insofern ist der Kommentar ein Lamentieren darüber, dass man nicht in die Zukunft blicken kann.

      Man könnte durchaus gerne allgemein kritisieren, dass viele Rohstoffe in Luxuskarossen und andere unnütze Dinge (Ultra-Fast-Fashion, Tedi/Temu-Wegwerf-Plunder, Werbegeschenke, Einwegvapes und andere Einmal-Artikel) wandern, dann sollte man sich aber nicht nur auf diese 4000 Fahrzeuge konzentrieren, wir (die Weltgemeinschaft) haben da ein viel grundsätzlicheres Problem.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Gier frisst mal wieder den Verstand.