Schade: Nichts geht wie im Schlaf

■ Methoden wie Superlearning oder Suggestopädie, die aus dem zerebralen Trabi einen Maserati machen sollen, gibt's immer noch – auf CD-ROM. Oft werden sie überschätzt. Ein Selbstversuch

Auf dem Kanapee oder der grünen Wiese liegen, den kleinen Mann des Walkman im Ohr, von Musik begleitet eine Sprachkassette hören – und nach ein paar unterbewußt wahrgenommenen Einheiten: perfektes Englisch. Das wär's doch. „Lernen wie im Schlaf.“ „Kinderleicht und trotzdem viel schneller“, versprechen Anbieter, die dem Lernbegierigen Begriffe wie „Superlearning“, „sleep-teaching“, „Suggestopädie nach Prof. Lozanow“ als Werbebotschaft ins Gedächtnis meißeln.

Der Bulgare Georgi Lozanow entwickelte in den 60er Jahren eine Methode, die über einen ganzheitlichen Unterricht rechte und linke Hirnhälfte gleichermaßen ansprechen soll und analytisch-logische Fähigkeiten (linke Hälfte) und musisch-künstlerische (rechts) miteinander verknüpft und das Lernen fördert.

So ein Sprachtrainer muß her: Doch die Suche gestaltet sich schwierig: Fehlanzeige in Buchhandlungen („Wer hört denn heute noch Kassetten?“). Auch bei einschlägigen Verlagen heißt es: „Nicht mehr im Programm, interaktive Lernprogramme für den Computer können wir anbieten.“

Aber im Internet: Eine Schweizer Firma offeriert Superlearning- Kurse. Atembiofeedback-Maske plus Wirtschaftsenglisch für zusammen schlappe 700 Mark. Im Bestellformular die Notbremse: „Nur in der Schweiz erhältlich.“

Also kein Kassettenkurs, sondern die CD-ROM „Supertrainer Englisch“ (Data Becker) „nach der bewährten Superlearning- Methode“, wie es das Cover verspricht. Die Autorinnen, Carolyn Lucas und Marisa Frangipane-Nikol, werden im Begleittext als „von Prof. Lozanow persönlich ausgebildet“ und als „Trainerin für Superlearning“ vorgestellt.

21-Tage-Kompaktkurs. Hört sich gut an. Ein Tag geht für die Orientierung (aktives Lernen, passives Hören, Vokabeltrainer, Memory- und Brettspiel, Hintergrundmusik) drauf. Am dritten Tag ein Aha-Erlebnis besonderer Art: Vor und nach den Lerneinheiten gibt's Musik zur Entspannung. Die fällt an diesem Abend ziemlich tief aus: wohltuender Schlaf nach wenigen Minuten Musik.

Am elften Tag: Wo bleiben die Lerneffekte? Man müßte sie im Dialog überprüfen können. Statt dessen ein Memoryspiel, in dem eine Stimme aus dem Off mit hämischem Lachen registriert, wenn zur englischen Redewendung die falsche Karte mit der deutschen Übersetzung per Mausklick aufgedeckt wird.

Was ist schiefgelaufen? „Superlearning holt nur einige Elemente aus dem Arrangement der Suggestopädie heraus“, sagt Renate Hoerburger, Dozentin an der Fakultät für Betriebswirtschaft an der Ludwig-Maximilian-Universität München. Lernfortschritte seien so nicht gezielt abfragbar. Und: „In der Suggestopädie ist die Lehrkraft die zentrale Dimension, Losanow würde nie auf sie verzichten.“ Ihrer Meinung nach werde zu sehr beschönigt, was solche Selbstlernkassetten leisten können. Nichts geht wie im Schlaf. „Es bedeutet wirklich auch Arbeit, nach Methoden der Suggestopädie zu lernen.“ Und Christian Gohlisch, der am gleichen Lehrstuhl seine Diplomarbeit geschrieben hat (Suggestopädie in der betrieblichen Ausbildung), ergänzt: „Beim Superlearning geht es oft hörlastig zu. Lerner, die sich damit schwertun, haben nicht viel davon.“ Vielen Selbstlernern fehle der aktive Kommunikationsprozeß, die Beziehung zum realen Lehrer oder Mitlernern.

Trotzdem: Wer in vollständigen Lernzyklen (Motivation, Konzertphase, Anwendung) arbeitet, könne die Potentiale der Methode schon erschließen. Große Firmen wie BMW, Bosch und Lufthansa arbeiten in der gewerblichen Ausbildung erfolgreich mit der Suggestopädie. Also: Selbstlerner sollten vorher bedenken, ob sie ohne Lehrer das Gehirntuning angehen und mit dem Maserati alleine jede Kurve meistern können. Matthias Steube

Infos zur Suggestopädie: Internet- Seite der Deutschen Gesellschaft für Suggestopädisches Lehren und Lernen (DGSL): http:// ourworld.compuserve.com/ homepages/dgsl. Mit Adressen von „Kreativzentren“ und Programm des Jahreskongresses am 1. bis 4. Oktober 1998 auf dem Campus der Freien Universität Berlin.