Saudi-Arabien reagiert auf Kritik: Kanadas Botschafter ausgewiesen
Die kanadische Außenministerin kritisiert die Festnahme von Aktivistinnen in Saudi-Arabien. Die Folge: eine diplomatische Krise zwischen den beiden Ländern.
Anlass war ein Tweet der kanadischen Außenministerin Chrystia Freeland vom Donnerstag. Darin heißt es, Kanada sei ernsthaft besorgt wegen neuer Festnahmen von Aktivistinnen für die Zivilgesellschaft sowie Frauenrechte in Saudi-Arabien, einschließlich von Samar Badawi. „Wir bitten die saudi-arabischen Behörden dringend, sie und alle anderen friedlichen Menschenrechtsaktivisten freizulassen.“
Dies sei eine eklatante und unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten Saudi-Arabiens, die gegen alle internationalen Normen und Protokolle verstoße, betonte das saudische Außenministerium in einem Tweet. Die kanadische Position sei ein Affront, der eine harte Antwort erfordere, um weiteren Versuchen einer Einmischung zuvorzukommen. Botschafter Horak müsse das Land binnen 24 Stunden verlassen.
Nassima al-Sadah und Samar Badawi in Haft
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte am Mittwoch von der Verhaftung der beiden Frauenrechtlerinnen Nassima al-Sadah und Samar Badawi berichtet. Sie hatten jahrelang für das Recht gekämpft, in dem ultrakonservativen Königreich Auto fahren zu dürfen, berichtete die Organisation.
Die Festnahmen stünden im Einklang mit geltendem Recht, da die Betroffenen Straftaten verübt hätten, teilte das saudi-arabische Außenministerium dazu mit.
Badawis Bruder, der Blogger Raif Badawi, ist seit 2012 inhaftiert. Ensaf Haidar, die Ehefrau des zu tausend Peitschenhieben und zehn Jahren Gefängnis verurteilten Bloggers, lebt gemeinsam mit ihren drei Kindern in Kanada und hat erst vor kurzem die kanadische Staatsbürgerschaft erhalten.
Die Festnahmen seien ein Signal, dass das saudi-arabische Königshaus jeden friedlichen Widerspruch gegen seine autokratische Herrschaft als Bedrohung verstehe, so Human Rights Watch.
„Kanada wird sich immer für den Schutz von weltweiten Menschenrechten, eingeschlossen in hohem Maße Frauenrechte, und Meinungsfreiheit einsetzen“, teilte Marie-Pier Baril, die Sprecherin von Freeland, mit. Deshalb werde das Land auch niemals zögern, für diese Werte zu werben. Sie seien wesentlich für die internationale Diplomatie.
900 Panzerfahrzeuge aus Kanada nach Saudi-Arabien
Kanadas Premierminister Justin Trudeau hatte im März einen Waffendeal der konservativen Vorgängerregierung mit Saudi-Arabien aus dem Jahr 2014 bestätigt und gegen Kritik im eigenen Land verteidigt. Der 15 Milliarden Kanadische Dollar (etwa 10 Milliarden Euro) schwere Deal über den Verkauf von mehr als 900 Panzerfahrzeugen an das Königreich stehe im Einklang mit Kanadas Außen- und Verteidigungspolitik, sagte er im März.
Laut Weltbank machte Kanadas Handel mit Saudi-Arabien im Jahr 2016 lediglich 0,24 Prozent des gesamten Handels des Landes aus. Im Vergleich dazu gingen 76 % des gesamten kanadischen Exportgeschäftes in die USA.
Seit Juni dürfen Frauen in dem streng islamischen Saudi-Arabien Auto fahren. Zu verdanken haben sie die neue Freiheit dem ehrgeizigen Kronprinzen Mohammed bin Salman, den vor allem die jungen Saudis als Reformer sehen. Der 32-Jährige gilt als starker Mann des Königreichs und will dem Land eine Kur verpassen. Vor allem geht es ihm darum, die Wirtschaft umzubauen, damit sie weniger abhängig vom Öl ist, das das Land reich gemacht hat, aber eines Tages erschöpft sein wird.
Schon Mitte Mai waren zunächst mindestens 17 Aktivisten festgenommen worden, von denen einige zumindest zwischenzeitlich wieder freigelassen wurden. Das harte Vorgehen des Staates in einer Phase der Öffnung erklären Experten damit, dass die Staatsführung die volle Kontrolle über die Reformen behalten will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Studie zu Zweitem Weltkrieg
„Die Deutschen sind nackt und sie schreien“