Satire-Ratgeber für Gestresste: Der Anti-Sisyphos
Ein neuer, brüllend komischer Ratgeber widmet sich dem Phänomen „Ambitionslosigkeit“. Und fordert Akzeptanz für die eigene Schlappheit.
Schlendrian, Antriebslosigkeit, Prokrastination. Die Dreifaltigkeit des Nichtstuns und Versagens. Endlich steht den Anhänger:innen dieses Lifestyles nun eine durchdachte und gut ausgearbeitete Handreichung zur Verfügung. Das fiktive Autorenduo Astrid Scheib und Robin Däutel geriert sich als freundschaftlich verbundenes Coaching-Team in Sachen „nix gebacken kriegen“.
Ihre 0-%-Methode verspricht nichts und muss daher auch nichts halten. „Robin und Astrid“ stellen sich bereits auf den ersten Seiten des Buches als Prototypen urbaner Durchlavierer:innen vor.
Astrid Scheib/Robin Däutel: „Die 0%-Methode. Mit maximalem Aufwand zu keinerlei Erfolg“. Yes Verlag, München 2024, 176 Seiten, 15 Euro
Scheib bekundet zum Beispiel freimütig, sie habe sich trotz eines sozialwissenschaftlichen Studiums in den vergangenen Jahren „hauptsächlich einem Akademiker namens Benedikt gewidmet“, der seit der Trennung in immer kürzeren Zeitabständen seine Heißluftfritteuse zurückfordere.
Däubel macht irgendwas mit Grafikdesign, hat 2 Kinder von 2 Frauen und wohnt wieder in einer WG. Für beide lief es, so die Erzählung, in den letzten Jahren nicht optimal und darum tat man sich zusammen, um dem Grund dafür auf die Spur zu kommen.
Nichts können
Die Frage, was können wir eigentlich besonders gut, wurde in der Folge mit „eigentlich kaum etwas“ beantwortet, und man kam zu der Erkenntnis: macht gar nix.
Genau jenes Mindset jazzen beide auf brüllend komische Weise zu etwas durchaus Akzeptablem, wenn nicht sogar Erstrebenswertem hoch, unterfüttern Theorien und Strategien des Scheiterns mit Tabellen und Grafiken der himmelschreienden Sorte und geben Tipps, wie man es ihnen gleichtun kann, um sich aus der Optimierungsfalle des Lebens zu befreien.
Es ist ja auch alles so anstrengend. Ständig soll man putzen oder abnehmen, sich selbst kritisieren und hinterfragen, „performen“, sich konkurrenzfähig zurichten.
Die Autor:innen geben anhand ihrer eigenen Lebenswege den Ratschlag, all dies zu lassen und sich so über diejenigen zu erheben, die sich Tag für Tag abstrampeln. „Wir umarmen das Scheitern und machen es uns untertan“ oder „Lass den Stein liegen, Sisyphos. Er rollt ja doch wieder ins Tal“ sind Merksätze, die locker zwischen die Kapitel gestreut werden, und die man als Mantras immer wieder neu vor sich hinsprechen soll, während man beim „Circle-Zapping“ auf dem Sofa liegt und zufrieden den ungesaugten Teppichboden ignoriert.
Das macht alles nicht glücklich
Minimalismus, Selfcare, gesunde Ernährung, Sport und Sauberkeitswahn machen, folgt man Scheib und Däuter, überhaupt nicht glücklich, weil mit Anstrengung verbunden. Als Anti-Kondo-Gurus gehen beide davon aus, dass „alles fließt“ und ohnehin wieder zu einem zurückkehrt. Dann könne man auch gleich aufs Ausmisten und Sortieren verzichten und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.
Hinter den Pseudonymen verstecken sich die Schriftsteller:innen Sebastian Stuertz und Dana von Suffrin, die mit ihrem letzten Roman zur Zeit auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis stand. Als Zwischenprojekt, entstanden während der Pandemie, haben sich beide mit der 0-%-Methode einen Entlastungsraum geschaffen, von dem wir als Leser:innen nun profitieren dürfen, denn: „Auch der Verstand liebt die großen Ferien.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel