Satire-Ratgeber für Gestresste: Der Anti-Sisyphos

Ein neuer, brüllend komischer Ratgeber widmet sich dem Phänomen „Ambitionslosigkeit“. Und fordert Akzeptanz für die eigene Schlappheit.

Eine Person blickt in einen altertümlichen Computer der auf einem unaufgeräumten Dachboden steht

Aufräumen, putzen, schön sein. Och nö Foto: Karsten Thielker

Schlendrian, Antriebslosigkeit, Prokrastination. Die Dreifaltigkeit des Nichtstuns und Versagens. Endlich steht den An­hän­ge­r:in­nen dieses Lifestyles nun eine durchdachte und gut ausgearbeitete Handreichung zur Verfügung. Das fiktive Autorenduo Astrid Scheib und Robin Däutel geriert sich als freundschaftlich verbundenes Coaching-Team in Sachen „nix gebacken kriegen“.

Ihre 0-%-Methode verspricht nichts und muss daher auch nichts halten. „Robin und Astrid“ stellen sich bereits auf den ersten Seiten des Buches als Prototypen urbaner Durch­la­vie­rer:in­nen vor.

Astrid Scheib/Robin Däutel: „Die 0%-Methode. Mit maximalem Aufwand zu keinerlei Erfolg“. Yes Verlag, München 2024, 176 Seiten, 15 Euro

Scheib bekundet zum Beispiel freimütig, sie habe sich trotz eines sozialwissenschaftlichen Studiums in den vergangenen Jahren „hauptsächlich einem Akademiker namens Benedikt gewidmet“, der seit der Trennung in immer kürzeren Zeitabständen seine Heißluftfritteuse zurückfordere.

Däubel macht irgendwas mit Grafikdesign, hat 2 Kinder von 2 Frauen und wohnt wieder in einer WG. Für beide lief es, so die Erzählung, in den letzten Jahren nicht optimal und darum tat man sich zusammen, um dem Grund dafür auf die Spur zu kommen.

Nichts können

Die Frage, was können wir eigentlich besonders gut, wurde in der Folge mit „eigentlich kaum etwas“ beantwortet, und man kam zu der Erkenntnis: macht gar nix.

Genau jenes Mindset jazzen beide auf brüllend komische Weise zu etwas durchaus Akzeptablem, wenn nicht sogar Erstrebenswertem hoch, unterfüttern Theorien und Strategien des Scheiterns mit Tabellen und Grafiken der himmelschreienden Sorte und geben Tipps, wie man es ihnen gleich tun kann, um sich aus der Optimierungsfalle des Lebens zu befreien.

Es ist ja auch alles so anstrengend. Ständig soll man putzen oder abnehmen, sich selbst kritisieren und hinterfragen, „performen“, sich konkurrenzfähig zurichten.

Die Au­to­r:in­nen geben anhand ihrer eigenen Lebenswege den Ratschlag, all dies zu lassen und sich so über diejenigen zu erheben, die sich Tag für Tag abstrampeln. „Wir umarmen das Scheitern und machen es uns untertan“ oder „Lass den Stein liegen, Sisyphos. Er rollt ja doch wieder ins Tal“ sind Merksätze, die locker zwischen die Kapitel gestreut werden, und die man als Mantras immer wieder neu vor sich hinsprechen soll, während man beim „Circle-Zapping“ auf dem Sofa liegt und zufrieden den ungesaugten Teppichboden ignoriert.

Das macht alles nicht glücklich

Minimalismus, Selfcare, gesunde Ernährung, Sport und Sauberkeitswahn machen, folgt man Scheib und Däuter, überhaupt nicht glücklich, weil mit Anstrengung verbunden. Als Anti-Kondo-Gurus gehen beide davon aus, dass „alles fließt“ und ohnehin wieder zu einem zurückkehrt. Dann könne man auch gleich aufs Ausmisten und Sortieren verzichten und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.

Hinter den Pseudonymen verstecken sich die Schrift­stel­le­r:in­nen Sebastian Stuertz und Dana von Suffrin, die mit ihrem letzten Roman zur Zeit auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis stand. Als Zwischenprojekt, entstanden während der Pandemie, haben sich beide mit der 0-%-Methode einen Entlastungsraum geschaffen, von dem wir als Le­se­r:in­nen nun profitieren dürfen, denn: „Auch der Verstand liebt die großen Ferien.“

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