Sardinen-Gründer über neuen Protest: „Den Kampf um die Zahlen gewinnen“
„Wir sind mehr“ auf Italienisch: Ur-Sardine Andrea Garreffa möchte Matteo Salvinis Lügen etwas entgegen setzen.
taz: Herr Garreffa, Sie haben mit drei ehemaligen StudienkollegInnen die Bewegung der Sardinen aus der Taufe gehoben.
Andrea Garreffa: Ja, wir sind seit Jahren miteinander befreundet, wir haben eine Zeit lang zusammen in einer WG gewohnt und sind alle zwischen 29 und 32 Jahren alt. Ich leite Fahrradreisen durch Italien und Europa, Mattia Santori arbeitet für eine Fachzeitschrift zu Energiepolitik und ist außerdem Trainer im Behindertensport, Giulia Trappoloni ist Physiotherapeutin und Roberto Morotti Ingenieur.
Also alle keine Berufspolitiker. Wie entstand denn die Idee zu Ihrer Sardinen-Kundgebung?
Am 8. November erzählte uns Mattia beim Mittagessen, dass Salvini am 14. November in Bologna seinen Wahlkampf eröffnen wolle. Bei seinem letzten Auftritt in Bologna hatte Salvini damit geprahlt, 100.000 Menschen hätten ihm auf der Piazza Maggiore zugehört. Das war eine kolossale Lüge, sie war aber zugleich Ausgangspunkt für uns, um sein Spiel mit Zahlen zu entlarven.
Wir wollten den Kampf um die Zahlen gewinnen, ehe er überhaupt losging. Deshalb die 6.000 Sardinen: um zu zeigen, dass wir mehr sein würden als sein Publikum in dem Sportpalast, der maximal 5.700 Leute fasst. Da ging es uns weniger um eine Botschaft gegen Salvini als gegen eine Art der politischen Kommunikation, die auf Lügen und auf großsprecherische Worte, die auf den Bauch statt auf den Kopf zielen.
Aber um Salvini geht es schon auch.
Gewiss. Der redet nach seinem Wahlsieg in Umbrien jetzt davon, er wolle die Emilia Romagna von der Linken befreien. Gerade hier sollte man angesichts unserer Geschichte mit dem Wort „Befreiung“ vorsichtig umgehen. Wir wollen zeigen: Gegen ihn gibt es nicht bloß tendenziell gewalttätigen Protest, sondern vorneweg eine Zivilgesellschaft, die auf Partizipation setzt und bereit ist, raus auf die Piazza, also auf die Plätze der Stadt zu gehen. Wir hatten in Bologna 6.000 Leute erwartet, am Ende kamen doppelt so viele.
Wie erklären Sie sich den Erfolg?
Für mich war vor allem eines höchst eindrucksvoll: Vorneweg waren die Menschen gerührt. Ergriffen davon, einander in die Augen zu schauen und zu sehen, dass sie nicht allein sind, dass es ein wirkliches Leben jenseits der Medien gibt, dass Teilhabe möglich ist, ohne Bedarf an Slogans, ohne Bedarf an Feinden, gegen die man sich mit Schmähungen und aggressivem Vokabular aufstellen muss.
32, aus Bologna, ist einer von vier Gründungsmitgliedern der Sardinen-Bewegung.
Wie lief die Mobilisierung im Vorfeld, ganz ohne Organisation im Rücken?
Keiner von uns ist Social-Media-Experte. Mattia hat einfach die Seite für ein Facebook-Event eingerichtet mit der Bitte, sich samt selbst gebastelter Sardinen auf der Piazza Maggiore einzufinden. Daneben haben wir mit ein paar Freunden Flugblätter in der Stadt verteilt. Und da wurde uns klar, dass es klappen könnte. Viele sagten uns, „ja, davon habe ich schon gehört“, oder „meine Mutter kommt, ich wahrscheinlich auch“.
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