Sanktionen der EU gegen Polen: Erstmal in Ruhe abwarten
Polen verbiegt den Rechtsstaat, sagt die EU-Kommission. Sie hat Empfehlungen für die Regierung, das Land behält aber sein Stimmrecht im EU-Ministerrat.
„Wir haben entschieden, zusätzliche Empfehlungen an die polnische Regierung zu schicken“, sagte der für den Fall zuständige Kommissionsvize Frans Timmermans. Die Regierung in Warschau habe zwei Monate Zeit, darauf zu reagieren. Sollte sie nicht einlenken, müsse man auch über Artikel 7 nachdenken, so der Niederländer.
Nach Artikel 7 des EU-Vertrags kann das Stimmrecht bei einer „schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung“ der europäischen Werte ausgesetzt werden. Dazu ist allerdings ein einstimmiger Beschluss aller EU-Staaten nötig. Ungarn hat bereits angekündigt, dass es ein Veto einlegen würde. Auch Deutschland hat vor einem forschen Vorgehen gewarnt.
So wurde der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) zurückgepfiffen. Als das so genannte Rechtsstaats-Verfahren der EU vor einem Jahr begann, forderte Oettinger noch, Polen „unter Aufsicht“ zu stellen. Dem widersprachen jedoch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).
Kampf ums Vefassungsgericht
Auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mahnte zu Geduld. Er glaube nicht, dass es zu Strafmaßnahmen kommen werde, sagte er schon vor zwölf Monaten. Zwischenzeitlich hat sich die Lage in Polen aber verschärft.
So hat die rechtskonservative Regierung Julia Przylebska, eine von den regierenden PiS-Partei gewählte Richterin, zur Interimsvorsitzenden des Verfassungsgerichts ernannt. Unter ihrem Vorsitz dürfen nun auch drei nachträglich von den Nationalkonservativen gewählte Richter an Urteilen mitwirken – das Gericht wurde „auf Linie“ gebracht.
Die Ernennung Przylebskas sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, sagte Timmermans, die Rechtsstaatlichkeit in Polen sei in Gefahr. „Die EU beruht auf dem Respekt für die Regeln, die wir uns gemeinsam gegeben haben“, warnte er. Die Erfahrungen der letzten 12 Monate stimmten ihn nicht optimistisch.
Auf die Frage, weshalb er noch nicht die „Nuklearoption“ gezogen habe, antwortete Timmermans. „Wenn wir weitere Schritte unternehmen würden, bräuchten wir politische Unterstützung im Rat und im Europaparlament“. Die EU-Kommission gibt den Schwarzen Peter an die Politiker weiter – die haben aber genug andere Sorgen.
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