Sanierung des Atommüll-Lagers Asse: Wer hat Angst vor strahlender Brühe?
Eine Medizintechnik-Firma plant, verseuchte Lauge aus der maroden Asse in Braunschweig zu reinigen. Niedersachsens Umweltministerium dementiert.
Um die Bergung der radioaktiven Abfälle aus dem maroden Atommülllager Asse gibt es neuen Ärger. 80.000 Liter verseuchte Lauge sind aus Kammern des ehemaligen Bergwerks ausgetreten und müssen entsorgt werden. Ein Job, für den sich die Strahlen- und Medizintechnik-Firma Eckert & Ziegler mit ihrem Standort in Braunschweig bestens gewappnet sieht, wie sie am Donnerstag vermeldete. Vom niedersächsischen Umweltministerium gab es dafür umgehend ein Dementi.
Lediglich einen Versuch habe das Unternehmen, das am Stadtrand von Braunschweig ein "Kompetenzzentrum für sichere Entsorgung" unterhält, im Auftrag des Landes durchgeführt: 80 Liter verseuchter Laugensumpf seien in Braunschweig mit einem Ionenaustauschverfahren gereinigt worden, sagt Inka Burow, Sprecherin des Umweltministeriums. Die 26.000 Becquerel pro Liter seien dabei restlos herausgefiltert worden - "Quellwasserqualität" habe die übrige Flüssigkeit danach gehabt.
"Infrastruktur, Geräte sowie sämtliche Genehmigungen", um auch die kompletten 80.000 Liter Asse-Lauge zu entsorgen, seien in Braunschweig "heute vorhanden", hieß es am Donnerstag in einer Pressemitteilung von Eckert & Ziegler. Man könne "den Sumpf trocken legen und endlich beginnen, Niedersachsen vom Vermächtnis der Einlagerungen zu befreien", lässt sich Geschäftsführer Andreas Eckert darin zitieren.
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als Asse-Betreiber will die Kammern des Salzbergwerks, in denen 126.000 Fässer schwach- und mittelradioaktiver Müll liegen, räumen und verschließen.
Die Zeit drängt: Seit Ende der 80er sickern täglich rund 12.000 Liter Lauge in die Asse
Derzeit läuft eine Faktenerhebung, die klären soll, ob eine Rückholung überhaupt möglich ist - der Zustand der Fässer ist unklar.
Zwei Kammern sollen angebohrt werden, um Aufnahmen im Innern machen zu können.
Die 80.000 Liter kontaminierte Lauge stehen vor einer der beiden Kammern - so lange die nicht entsorgt sind, können die Probebohrungen nicht gemacht werden.
Die Asse-Lauge - ein gutes Geschäft für die weltweit tätige Firma, die bereits 1999 an die Börse gegangen ist. Sie ist Hersteller von radioaktiven Produkten vor allem für die Krebstherapie, bietet aber auch die Entsorgung schwach radioaktiver Abfälle an, die in Krankenhäusern, Arztpraxen und Industrie anfallen. Pünktlich zum Atomausstiegsbeschluss im Sommer hatte Geschäftsführer Eckert sein Unternehmen als eines der drei potenziellen Dienstleister für den Rückbau deutscher Atomkraftwerke gerühmt und sich auch Chancen auf Aufträge bei der Bergung des Asse-Mülls ausgerechnet: "Der Weg wäre nicht weit", so Eckert damals zum Tagesspiegel. In Braunschweig sitze man "in unmittelbarer Nähe" zur Asse.
Das Umweltministerium hingegen schließt eine Entsorgung in Braunschweig kategorisch aus. "80 Liter sind etwas anderes als 80.000", sagt Sprecherin Burow, "wir sehen nicht, dass das in Braunschweig möglich ist." Es gebe eine "Reihe von technischen und logistischen Fragen", die Eckert & Ziegler bislang nicht beantwortet habe. So fehle etwa ein konkreter Zeitplan und auch zu den Kosten gebe es keine Angaben.
Das Unternehmen selbst weist die Vorwürfe von sich: "Selbstverständlich" könne man in Braunschweig auch ein höheres Volumen handhaben, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. "Wir haben alle Kapazitäten, die wir brauchen." Hinter der Absage des Umweltministeriums vermutet sie politisches Kalkül. Die Asse-Lauge könnte schon längst beseitigt sein - Politik und Behörden teilten aber die Auffassung, "dass man den Bürgern nirgendwo zumuten könne, eine Aufarbeitung der eigentlich harmlosen Lauge hinzunehmen", sagt die Sprecherin.
In Braunschweig ist der Protest gegen die Asse-Lauge und Eckert & Ziegler in der Tat groß. Erst kürzlich hat sich hier die Bürgerinitiative Strahlenschutz gegründet. Bürgerversammlungen zum Thema Asse-Lauge ziehen regelmäßig weit über 100 Menschen an. "Es richtet sich aber keiner dagegen, dass der Müll aus der Asse raus soll", sagt Peter Rosenbaum von der Ratsfraktion der Bürgerinitiativen Braunschweigs. "Dass etwas getan werden muss, ist klar." Das "Kompetenzzentrum für sichere Entsorgung" von Eckert & Ziegler - nur wenige hundert Meter von einem Wohngebiet samt Schulen entfernt gelegen - sei aber nicht der geeignete Ort, um mit radioaktiven Abfällen wie der Asse-Lauge zu hantieren.
Rosenbaum kritisiert, den Unternehmen und Behörden fehle es an Transparenz. "Alle schotten sich vor den Bürgern ab", sagt er. Bei einer Betriebsbesichtigung im Juli seien die Bürgerinitiativen bei Eckert & Ziegler über das Besucherzimmer nicht hinaus gekommen: Statt eines Gangs durch die Anlagen gab es eine Power-Point-Präsentation über das Unternehmen. Seit sechs Wochen wartet Rosenbaum auf Einsicht in die Akten der Stadtverwaltung zum Versuch mit Asse-Lauge in Braunschweig - und bereitet mittlerweile eine Klage vor. Dem Dementi des Umweltministeriums mag er jetzt kaum trauen.
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