Salzlauge im Atommüllschacht: Illegales Endlager Asse leckt

Angeblich soll Atommüll im Endlager Asse auf Dauer sicher und trocken lagern. Von wegen:12 Kubikmeter Salzlauge fließen täglich hinein, musste das Helmholtz-Zentrum nun zugeben.

Enthüllungen um das Endlager Asse beunruhigen die Bürger des nahen Schöppenstedts. Bild: dpa

SCHÖPPENSTEDT taz Die Eulenspiegelhalle im niedersächsischen Schöppenstedt am Fuße des Höhenzuges Asse war bis auf den letzten Platz gefüllt. Dreihundert besorgte Bürger aus den Gemeinden rund um das Atommülllager Asse II wollten wissen, wie es zum Austritt radioaktiver Cäsiumlauge in dem ehemaligen Versuchsendlager kommen konnte und welche Gefahren von den rund 126.000 Atommüllfässern in dem einstigen Salzbergwerk ausgehen.

Die Pannen im Atommüllendlager Asse beschäftigen inzwischen auch die Bundespolitik. Im Umweltausschuss des Bundestags übten Abgeordnete von Grünen und Linken am Mittwoch scharfe Kritik an der Bundesregierung. "Das Bergwerk sei eine "tickende Zeitbombe" warnte die Umweltexpertin der Grünen, Sylvia Kotting-Uhl.

Heute muss Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) in einer von den Grünen beantragen aktuellen Stunde im Bundestag Rede und Antwort stehen. Kotting-Uhl: "Wir wollen wissen, wie der Minister der Gefährdung der Bevölkerung begegnen will, die mit den illegalen Machenschaften einhergeht." Für die Linksfraktion forderte der energiepolitische Sprecher Hans-Kurt Hill, dem Helmholtz Zentrum die Betriebsgenehmigung zu entziehen und es finanziell in die Pflicht zu nehmen. Weil das Atomlager Asse als "Forschungsanlage" gilt, untersteht es bisher nicht dem Umweltministerium, sondern Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU).

Landrat Jörg Röhrmann (SPD) hatte zu der Veranstaltung schon lange eingeladen. Sie sollte zunächst nur über die Arbeit der "Asse-Begleitgruppe" informieren, der Vertreter des Kreises Wolfenbüttel, der Gemeinden und Umweltgruppen, kritische und offizieller Experte, Vertreter des Betreibers und der drei in Berlin und Hannover zuständigen Ministerien angehören. "Die Begleitgruppe soll der Versachlichung der Diskussion dienen und eine sachgerechte Entscheidung über Endlager vorbereiten", meinte der Landrat.

Vergangene Woche sorgte die Gruppe aber erst einmal für bundesweite Aufregung. In einer Sitzung des Gremiums hatte der Betreiber des Endlagers, das vom Bundesforschungsministerium finanzierte Helmholtz Zentrum, offenbart, dass die Salzlauge, die seit 1988 im Bergwerk Asse II austritt, radioaktives Cäsium enthält. Danach wurde bekannt, dass die Helmholtz-Forscher seit 2005 insgesamt 77 Kubikmeter radioaktive Lauge mit einer Aktivität von rund 2 Milliarden Becquerel ohne Genehmigung auf die tiefste Sohle ihres Bergwerks gepumpt haben. Wie der niedersächsische Umweltstaatssekretär Stefan Birkner am Dienstagabend in Schöppenstedt sagte, wurden in dem illegalen Endlager im tiefsten Keller der Asse auch noch rund eine Tonne kontaminierte Werkzeuge und radioaktiv belastetes Salz versenkt. Dennoch hat der Betreiber in seinem illegalen Endlagerkeller nicht einmal den millionsten Teil seines radioaktiven Gesamtinventars untergebracht. In der Asse wurden bis Ende 1978 schwach- und mittel aktive Abfälle mit einer Gesamtaktivität von über 3 Billiarden Becquerel eingelagert.

"Die Cäsiumlauge ist eher ein Nebenproblem", gab denn auch selbst der altgediente AKW- und Asse-Gegner Peter Dickel in Schöppenstedt dem Betreiber ein Stück weit recht. Die radioaktive Lauge zeige zwar, wie leicht in der Asse radioaktive Stoffe in Lösung gehen könnten. "Das Hauptproblem ist aber der Laugenzufluss", betonte Dickel.

Genau das Gleiche sagte auch der im Helmholtz Zentrum für die Schließung des Endlagerbergwerks zuständige Projektleiter Gerd Hensel, zog daraus aber ganz andere Schlüsse. Laut Hensel fließen in das ehemalige Salzbergwerk täglich etwa 12 Kubikmeter Salzlauge ein. Sie treten an einem unbekannten Ort in 500 bis 570 Meter Tiefe in die Südflanke der Grube ein.

Einige Pfeiler des Bergwerks, die man beim Salzabbau stehen ließ, hätten "die Phase des Zerbrechens schon hinter sich", betonte der Helmholtz-Projektleiter. Ein Wassereinbruch könne das "Gefüge des Bergwerks zerstören". Deswegen müsse man das Bergwerk möglichst schnell mit gesättigter Magnesiumchloridlauge füllen. Dies löse das Salzgestein nicht auf und verhindere zugleich den Zutritt anderer Flüssigkeiten.

Derselbe Betreiber des Endlager hatte vorher allerdings jahrzehntelang behauptet, dass man in der Asse auf die Dauer Atommüll sicher und trocken lagern könne. Für die AKW-Gegner ist die Flutung mit Magnesiumchloridlauge denn auch "das Schlechteste, was man mit der Asse machen könnte", wie es Peter Dickel ausdrückte. In der Lauge, die der Betreiber "Schutzfluid" nennt, würde sich der radioaktive Inhalt des Endlagers lösen. Die radioaktive Flüssigkeit wird vermutlich über dieselben Wege aus dem Endlager gedrückt, über die derzeit täglich rund 12 Kubikmeter Lauge einströmen.

All das befürchtet aber auch der Betreiber. Vor den Atommüllkammern im Inneren der Endlagers errichtet er bereits sogenannte Strömungsbarrieren, die die Magnesiumchloridlauge vorbeilenken sollen, wenn sie aus dem Endlager gedrückt wird. Mit Simulationsrechnungen - die das Bundesamt für Strahlenschutz allerdings anzweifelt - will die Helmholtz-Gesellschaft zudem beweisen, dass die Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung eingehalten werden, wenn die kontaminierte Lauge am Ende die Erdoberfläche erreicht.

Bei den Wissenschaftlern der Asse-Begleitgruppe fielen die Schließungspläne des Betreibers am Dienstagabend durch. Ulrich Kleemann, Mitglied der Gruppe und Fachbereichsleiter Entsorgung beim Bundesamt für Strahlenschutz, bezeichnete den entsprechenden Helmholtz-Bericht als "nicht begründet und nicht nachvollziehbar".

Mit Spannung werden jetzt die Ergebnisse von zwei Gutachten erwartet, die die Möglichkeit von Betoninjektionen bzw. ein Ausgraben der Fässer prüfen.

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