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Salome und die Städte

■ Zwischen Klassik und Avantgarde: Das Duo Artango gastiert morgen abend mit seinem Tango nuevo in der Fabrik

Verführerischer Tanz kann böse enden. Etwa so wie bei Salome. Oder wie ein Tango. Wesentlich ungefährlicher und rein künstlerisch anregend ist ein Konzert von Artango. Hier tanzt allein die Musik, zwischen Bandoneon und Piano, zwischen Klassik und Avantgarde, und der kleine Tod am Ende des Abends ist nur eine vage Anspielung auf das Schicksal des Täufers.

Artango ist ein Duo, das genau weiß, wohin es will. Und das mit seinem Programm Un soir/One Night dennoch eine Odyssee erzählt, eine großstädtische Suite imaginärer Tänze, gezwickt von Salome, getrieben von der Angst im Dschungel von Paris, Madrid oder Moskau. Fabrice Ravel-Chapuis haut in die Tasten, als säße ihm eine Streetgang im Nacken, und Jacques Trupin spielt sein Bandoneon zeitweise im Stehen. „Es hat keinen Zweck, Tango wie die Südamerikaner spielen zu wollen, das Pathos bekommen wir nicht hin,“ sagt Trupin bescheiden. Doch so abstrakt ätherisch wie Piazolla werden Artango nie; mit der Regisseurin Ghislaine Lenoir arbeitet das Duo an der Grenze zum Theater.

Weder Trupin noch Ravel-Chapuis stammen vom Rio de la Plata. Sie repräsentieren die seit einem Jahrhundert andauernde musikalische Symbiose zwischen Paris und Buenos Aires. War es einst Carlos Gardel, Sohn von Einwanderern aus Toulouse, der dem Tango seinen Stempel aufdrückte, so schicken sich heute Artango an, neue Wege zu eröffnen. Nach zwei CDs als Duo holten sie 1997 für Métropole ein Streichquartett ins Studio, auf Un soir arbeiteten sie nun mit dem Orchestre National de Lille. Zwar werden sie auf ihrer Tournee leider nicht von den Symphonikern begleitet, doch Dialog findet trotzdem statt. Piano und Bandoneon messen theatralisch ihre Kräfte – ganz wie man einen Tango tanzt.

Thomas Hahn

morgen, 21 Uhr, Fabrik

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