Sachsens Ministerpräsident Tillich: Ein Sorbe wird Sachse
Stanislaw Tillich (CDU) bleibt sächsischer Ministerpräsident. Sein erstes Amtsjahr war geräuschlos, jetzt steht ihm nach einer erfolgreichen Landtagswahl die Bewährungsprobe bevor.
"Ein Sorbe wird Sachsens Ministerpräsident" hieß es noch im Juni 2008, als Stanislaw Tillich geräuschlos die Nachfolge des zermürbten Georg Milbradt antrat. Ein Jahr später wurde aus dem Sorben im Landtagswahlkampf nur noch "der Sachse". Laut ersten Prognosen von 18 Uhr am Sonntag erreicht die Union in Sachsen 40,5 Prozent. Damit kann Tillich zusammen mit der FDP weiter regieren.
Dass er "einer von hier" ist, mag weniger zum bescheidenen Wahlerfolg Tillichs und der Union beigetragen haben, denn alle Spitzenkandidaten der Konkurrenz stammen ebenfalls aus Ostdeutschland. Auf spektakuläre Erfolge konnte er auch nicht verweisen, denn das eine Jahr seiner Amtszeit plätscherte eher geruhsam dahin. Nur irgendwo weit außerhalb von Sachsen soll es angeblich eine Weltkrise geben.
Für Stabilität war Tillich denn auch in gewohnt konservativer Weise angetreten, beispielsweise bei seinen Warnungen vor einer aufwändigen Umgestaltung des Schulsystems hin zu längerem gemeinsamem Lernen. Dieses Beharrungsvermögen, das an den früheren SED-Slogan "Unser Weg ist richtig!" erinnert, goutiert immer noch eine relative Mehrheit der Sachsen, auch wenn deren Anteil weiter schwindet. Tillichs Person, seine umgängliche, freundliche, oft konfliktscheue Art mag den Abwärtstrend der Union eher gebremst haben. Und eine fotogene Erscheinung bleibt bekanntlich auch nicht ohne Wirkung auf bestimmte Wählerkreise.
Mit sächsischem Glanz, wie ihn die Ära Biedenkopf penetrant für das Mutterland der Technik und der Künste beschwor, hat das freilich nichts mehr zu tun. Tillich ist kein Charismatiker, schon gar kein Prediger und wirkt an Rednerpulten oft unsicher. Im kleineren Kreis gibt er sich dafür umso erfahrener und gelassener. Dann müssen sich alle seine Konkurrenten erst einmal an seiner Realpolitik messen lassen. Kompetenz hat er sich als Abgeordneter in Brüssel, als Staatskanzleichef, Umwelt- und Finanzminister durchaus erworben. Er ist ein fleißiger, unauffälliger Arbeiter und weniger ein Mann der großen Auftritte.
So recht mag eine Mehrheit der Sachsen auch nicht glauben, dass dieser Mann mit dem verschmitzten Lächeln im letzten DDR-Jahr als CDU-Funktionär beim Rat des Kreises Kamenz noch viele Bösartigkeiten ausgeheckt hat. Mit wenigen Ausnahmen spielte dieses Thema, das ihn spätestens seit Herbst 2008 verfolgte, im Wahlkampf keine Rolle mehr. "Gebt Gott, was Gottes ist, und dem Kaiser, was des Kaisers ist", diesen Satz aus dem Matthäusevangelium hatten gerade die katholischen Sorben verinnerlicht. So mischten sich Anpassungs- und Karriereinstinkte bei ihm in durchaus DDR-typischer Weise.
In Zungen reden konnte Tillich indessen schon, hätte die vier Sprachen, die er spricht, auch gern vertieft, landete aber beim Maschinenbau. Nach der Wende betrieb er sogar ein kleines Ingenieurbüro, bevor es ihn mit der gewendeten CDU endgültig in die Politik trieb. Mit der voraussichtlichen Bestätigung im sächsischen Spitzenamt aber steht die eigentliche Bewährungsprobe des Fünfzigjährigen erst bevor. Denn die fetten Jahre sind auch für Sachsen vorbei.
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