Wahlen im Saarland, Thüringen und Sachsen: Schwarz-Gelb macht keinen Stich
Starke Verluste in Thüringen und Saarland für die CDU, machen es ihr unmöglich dort mit der FDP zu koalieren. In beiden Ländern ist Rot-Rot-Grün möglich. Nur Sachsen bleibt der Merkel-Partei sicher.
SAARBRÜCKEN/DRESDEN/ERFURT/DÜSSELDORF/BERLIN dpa/afp/ap/rtr | Bei der Landtagswahl im Saarland hat die bislang mit absoluter Mehrheit regierende CDU von Ministerpräsident Peter Müller massive Verluste erlitten und kann auch gemeinsam mit der FDP keine Regierung bilden.
Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge rutschen die Christdemokraten auf 34,5 Prozent ab. Die SPD erhält 24,5 Prozent. Die Linke, die mit dem früheren saarländischen Ministerpräsidenten und SPD-Chef Oskar Lafontaine an der Spitze angetreten ist, kommt auf 21,3 Prozent. Die FDP erzielt 9,2 Prozent, die Grünen erreichen 5,9 Prozent. Damit könnte es erstmals im Westen eine Regierungsbeteiligung der Linken geben.
Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) hat angekündigt, nun entweder ein Bündnis mit FDP und Grünen oder eine große Koalition anzustreben. Mit Blick auf eine mögliche Jamaika-Koalition sagte er in der ARD: "Ich glaube nicht, dass es da unüberbrückbare Punkte gibt." Aber auch mit der SPD wolle er Gespräche führen. Er verwies darauf, dass die CDU weiterhin stärkste Fraktion sei. Die Wähler hätten damit der CDU einen Regierungsauftrag erteilt.
Auch bei der Landtagswahl in Thüringen hat die bislang allein regierende CDU von Ministerpräsident Dieter Althaus massiv verloren und verfügt auch gemeinsam mit der FDP über keine Mehrheit mehr. Laut der ZDF-Hochrechnung rutschen die Christdemokraten auf 31,3 Prozent ab. Die Linke kommt auf 27,9 Prozent. Die SPD erhält 17,9 Prozent. Die FDP schafft mit 8 Prozent nach 15 Jahren Abwesenheit den Wiedereinzug in den Erfurt Landtag, ebenso die Grünen mit 5,9 Prozent.
Die CDU muss also ihr bisher schlechtestes Ergebnis in Thüringen hinnehmen. Im neuen Thüringer Landtag würde die CDU laut ZDF-Hochrechnung mit 30 Sitzen nach wie vor die stärkste Fraktion stellen. Die Linke käme auf 26 Sitze, die SPD auf 18. Die Grünen würden sechs Mandate erhalten und die FDP acht.
Die Regierungsbildung wäre dennoch offen. Der seit sechs Jahren amtierende Ministerpräsident Althaus könnte gemeinsam mit der SPD eine Koalition bilden, wie es sie in Thüringen bereits von 1990 bis 1999 gab. Rechnerisch denkbar wäre aber auch ein rot-rot-grünes Bündnis. Allerdings schloss SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie im Vorfeld eine Wahl des Linken-Spitzenkandidaten Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten kategorisch aus. Ramelow seinerseits machte noch am Wahlabend seinen Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt deutlich. Er hatte bereits im Vorfeld mehrfach hervorgehoben, dass der stärkste Partner eines rot-rot-grünen Bündnisses den Regierungschef stellen müsse.
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte in Berlin, die CDU-Verluste im Saarland und in Thüringen seine "schmerzlich". Mit Blick auf die möglichen rot-roten Bündnisse sagte er aber, es werde "definitiv keine Rote-Socken-Kampagne geben". SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sprach von einem "guten Wahlsonntag" für seine Partei. Es sei "ein großer Irrtum" zu sagen, die Bundestagswahl sei schon entschieden.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sieht nach den massiven Einbußen der CDU bei den Landtagswahlen in Thüringen und an der Saar "ein klares Votum gegen Schwarz-Gelb". Aus den Resultaten ergebe sich "ein Auftrag für die SPD, in diesen beiden Ländern zu regieren", sagte Wowereit nach Angaben seines Sprechers am Sonntagabend in Berlin. In der Hauptstadt führt Wowereit die derzeit bundesweit einzige rot-rote Landesregierung. Mit Blick auf die Bundestagswahl zeige sich, dass der Ausgang noch lange nicht entschieden sei. Die SPD könne weit mehr an Unterstützung erreichen, als es in den Meinungsumfragen zuletzt erschien.
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hat die Bundestagswahl als offen bezeichnet. Der CDU-Bundesvize sagte, für die Union bestehe trotz der hohen Sympathiewerte für Kanzlerin Merkel "überhaupt kein Anlass", sich sicher zu wähnen. Bei den Koalitionsbildungen in Thüringen und im Saarland müsse es darum gehen, die Linke aus den Landesregierungen herauszuhalten. Sowohl "Jamaika"-Bündnisse aus CDU, FDP und Grünen als auch große Koalitionen seien besser als eine Regierungsbeteiligung der Linken.
In Sachsen deutet sich dagegen nach den ersten Hochrechnungen klar ein Wechsel von der CDU/SPD-Koalition zu einem schwarz-gelben Bündnis an. Die CDU geht laut ZDF mit 40,7 Prozent (2004: 41,1 Prozent) fast unverändert als stärkste Kraft aus der Landtagswahl vom Sonntag hervor. Die Linke wird mit 20,9 Prozent zweitstärkste Kraft. Die FDP überholt mit 10,1 Prozent die SPD, die sich minimal auf 10 Prozent verbessern kann. Die Grünen schaffen mit 5,9 Prozent knapp den Wiedereinzug in den Landtag. Die rechtsextreme NPD verliert deutlich, ist mit 5,5 Prozent aber wieder im Landesparlament vertreten.
Die CDU hat bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen einer Hochrechnung des WDR zufolge trotz Verlusten ihre Position als stärkste Partei behaupten können. Die SPD kam der Hochrechnung zufolge am Sonntag landesweit auf 31,3 Prozent und blieb damit noch etwas hinter ihrem Ergebnis vor fünf Jahren zurück, als sie 31,7 Prozent erreichte. Die Sozialdemokraten konnten aber das Rathaus in Köln als größter Metropole des Bundeslandes erobern. Bei einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von rund 51 Prozent legten Grüne, FDP und Linkspartei zu.
Die CDU konnte der WDR-Hochrechnung zufolge landesweit 40,4 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen nach 43,4 Prozent bei der letzten Kommunalwahl. Die Grünen legten auf 10,6 (2004: 10,3) Prozent etwas zu, die FDP konnte 1,4 Prozentpunkte auf 8,2 Prozent gewinnen. Die Linke verbuchte ein Plus von 3,1 Prozentpunkten auf 4,5 Prozent.
Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Helmut Stahl, wertete das Ergebnis als "derbe Niederlage" für die SPD. Die CDU unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers habe dagegen ein "tolles Ergebnis" erzielt. SPD-Landeschefin Hannelore Kraft hob hervor, ihre Partei habe ihre Kandidaten in den beiden größten Städten Nordrhein-Westfalens durchgesetzt.
Im bisher von CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma regierten Köln konnte sich einer WDR-Prognose zufolge der auch von den Grünen gestützte SPD-Kandidat Jürgen Roters mit rund 55 Prozent der Stimmen durchsetzen. In Dortmund konnte demnach Ullrich Sierau für die SPD das Rathaus verteidigen.
Erste offizielle Ergebnisse der Abstimmung, zu der rund 14,4 Millionen Menschen aufgerufen waren, wurden ab 20.00 Uhr erwartet. Der nächsten Landtagswahl muss sich die schwarz-gelbe Landesregierung unter Ministerpräsident Rüttgers 2010 stellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt