Saarland will Computerchips fertigen: Das Saarland Valley

Saarland ist stark in der Automobilproduktion und sucht Wege zur Dekarbonisierung. Ein Chiphersteller wird zum Hoffnungsträger.

Luftaufnahme eines Kraftwerks mit Kühlturm

Das stillgelegte Kraftwerk Ensdorf im Saarland. Der US-Konzern Wolfspeed wird eine moderne Chipfabrik bauen Foto: Boris Roessler/dpa

SAARBRÜCKEN taz | Robert Habeck ist persönlich zur Eröffnung gekommen. „Wenn es einen persönlich betrifft, tut es weh; man muss raus aus der Komfortzone“, sagte der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Anfang Februar im saarländischen Ensdorf. Dort soll eines Tages die weltweit größte Fabrik für Siliziumkarbon-Chips eröffnen.

Aber es sind auch klare Worte des Ministers, was die Zumutungen im Saarland anbelangt. Mit dem absehbaren Aus für das Verbrennerauto und der Dekarbonisierung der Stahlindustrie durchlebt das kleinste deutsche Flächenland eine radikale Transformation.

Mehr als die Hälfte der 400.000 Arbeitsplätze hängen dort mittelbar oder unmittelbar von der Automobil- oder Stahlproduktion ab. Gerade Letztere hat im Saarland eine lange Tradition. So, dass nicht nur die großen Autohersteller wie etwa Ford oder Bosch betroffen sind – sondern auch die dort ansässigen Unternehmen wie etwa Saarstahl.

Die Autohersteller und die Industrie müssen in Zukunft ihre Produktion einstellen oder ihre Herstellungsweisen grundlegend ändern. Deswegen ist das Saarland bereits jetzt dabei umzustellen. An diesem Tag soll nun der Startschuss für den Bau der Produktionsstätte von Chips aus Siliziumkarbon an der Saar fallen. Der in dieser Technologie führende US-Konzern Wolfspeed hat dafür ein Joint Venture mit dem deutschen Zulieferer ZF vereinbart.

Transformation in die Elektromobilität

Zusammen mit Wolfspeed will das Unternehmen die Transformation in die Elektromobilität bewältigen. Die Chips, die dort künftig hergestellt werden sollen, sind aus Siliziumkristallen. Sie sind somit weniger hitzeempfindlich. Zudem bedürfen sie weniger Kühlung. Damit sind sie schneller aufladbar und sind deutlich effizienter beim Energieverbrauch.

Die Fabrik soll dabei künftig auf dem alten Gelände eines ehemaligen Kohlekraftwerks, direkt am Wasser, an der Saar stehen. Bis zu rund 2,5 Milliarden Euro sollen investiert werden, 20 Prozent davon werden öffentliche Subventionen sein. Wolfspeed hat mit dieser Technologie ein rasantes Wachstum hingelegt. Das Geschäft brummt schon jetzt, auch wenn die Produktion im Saarland erst jetzt starten wird.

Rund um das Gelände sind noch immer die alten Ruinen der letzten industriellen Revolution zu sehen. Aber um die gigantische Halde des einst florierenden Kohlebergbaus läuft inzwischen ein Wanderweg; mitten durchs Grüne. Der gewaltige Kühlturm des stillgelegten Kohlekraftwerks ist schon seit Jahrzehnten nicht mehr in Betrieb, aber zu einem Wahrzeichen geworden, weil er von fast allen Aussichtspunkten des Saarlands aus zu sehen ist.

Die Halbleiterfabrik Wolfspeed soll hier nun in Rekordzeit hochgezogen werden. Im Saarland gebe es Offenheit für Neues, heißt es „wegen der Umbrucherfahrung“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der gemeinsam mit Robert Habeck bei dem Pressetermin in Ensdorf ist. Die neue Chipfabrik werde auch einen deutlichen Beitrag dazu leisten, dass die europäische Industrie verlässlich mit Halbleitern versorgt werde, sagte der Kanzler.

Großbaustelle als Hängepartie

Während in Ensdorf der Neustart gelungen zu sein scheint, gerät die Großbaustelle im nahen Saarlouis dagegen zur Hängepartie. Dort wurde die Entscheidung getroffen, dass die Autoproduktion von Ford im Saarland mit dem Ende der Modellreihe Focus auslaufen soll. Wenn überhaupt, will Ford die Elektroautos der nächsten Generation in Spanien fertigen lassen.

Industrieansiedlungen sind seit zwei Jahrzehnten sein Geschäft, erst als Gründer einer Beratungsfirma, seit elf Jahren im Staatsdienst. Der Wirtschaftsminister führt auch die Verhandlungen für die Zeit nach dem Focus. Auf dem Ford-Gelände und dem angeschlossenen Industriepark sollen neue zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen. Fünfzehn Investoren hätten ernsthaftes Interesse angemeldet, versichert Barke im Gespräch mit der taz und gibt sich zuversichtlich.

Barke nennt nur eine zeitliche Zielmarke: „Noch vor der Sommerpause“ sollen Entscheidungen fallen, sagt Barke und schweigt zu Details: „Vertrauen ist im Ansiedlungsgeschäft die wichtigste Währung.“ Dass mit „Build Your Dream“ (BYD) der größte chinesische Hersteller von Elektrofahrzeugen unter den Interessenten sein soll, ist allerdings durchgesickert.

Für das Ford-Management laufen Fristen. Im Juni endet das zwischen Betriebsrat und dem Unternehmen vereinbarte „Trennungsjahr“. Die Beschäftigten in Saarlouis wollen bis zu diesem Termin präzise Vereinbarungen über die Modalitäten des Personalabbaus und der Weiterbeschäftigung von bis zu 1.000 MitarbeiterInnen, sonst droht Streik.

Das Land hat mit dem Unternehmen eine Vereinbarung getroffen, nach der die landeseigene Strukturholding die Gebäude und das Werksgelände in eigene Regie übernimmt, sollte kein anderer Investor gefunden sein. Große Industrieansiedlungen gelingen im Saarland besser als andernorts, weil diese 100-Prozent-Tochter des Landes mit eigenem Know-how für ausländische Investoren schlüsselfertige Fabriken planen und bauen kann.

Richtfest in Heusweiler

So entwickelt die Strukturholding bereits für den chinesischen Batteriehersteller Svolt zwei große Fabriken in den Gemeinden Überherrn und Heusweiler. In Heusweiler wurde bereits Richtfest gefeiert. Gewaltige Umbrüche wird auch die Stahlindustrie bewältigen müssen. Nach Schätzungen wird allein die CO² neutrale Stahlproduktion im Saarland so viel Strom benötigen wie heute alle Haushalte und die gesamte Industrieproduktion des Landes zusammen.

Bis dahin müssen außerdem gigantische Netze für die Versorgung mit grünem Wasserstoff aus Afrika und Spanien entstehen. „Wir brauchen ein Bewusstsein für die Größe der Herausforderung für das Saarland – spätestens Ford hat das jedem klargemacht“, sagt dazu die Ministerpräsidentin und fügt hinzu: „Wir brauchen aber auch das Selbstbewusstsein, dass unser Saarland das schaffen kann“, so Rehlinger zur taz.

Der Trierer Politikprofessor Uwe Jun bescheinigt der Landesregierung „Elan und Realitätssinn“ beim Bemühen um die wirtschaftliche und ökologische Transformation. „Wie erfolgreich der Prozess verlaufen wird, hängt wesentlich von der Bereitschaft privater Investoren ab, die Pläne zu unterstützen. Immerhin sind erste Erfolge zu verzeichnen“, so der Trierer Professor.

Der grüne Bundeswirtschaftsminister fand im Februar eine einfachere Formel: „Her mit den Halbleitern, die Produktion möge beginnen!“, rief Habeck den Ehrengästen zu, die sich im Zelt in Ensdorf zum Startschuss für Wolfspeed eingefunden hatten.

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